Balint Journal 2014; 15(04): 97-98
DOI: 10.1055/s-0034-1396813
Nachruf
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nachruf: Prof. Dr. med Benyamin Maoz – 1929–2014

H. Otten
,
E. Petzold
,
G. Bergmann
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Publication Date:
09 January 2015 (online)

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Prof. Dr. med. Benyamin Maoz

Prof. Dr. med. Benyamin Maoz verstarb am 28. August 2014 im Alter von 84 Jahren in Israel, wo er gelebt und gearbeitet hat.

Im vergangenen Jahr hat er sich mit einem Vortrag in Wienhausen von uns verabschiedet. In diesem Vortrag hat er seinen Weg gezeichnet zurück in sein Geburtsland Deutschland und zurück zu den Deutschen. (nachzulesen im Balint Journal 2/14).

Benyamin Maoz wurde am 31. Oktober 1929 in Kassel geboren. Als er 8 Jahre alt war, also 1937, war seine Familie gezwungen, nach Palästina, dem heutigen Israel, auszuwandern. Dieser Entschluss fiel nicht leicht — gehörten sie doch dem gehobenen Deutschen Bürgertum an und waren seit vielen Generationen fest in Deutschland verwurzelt — dies war aber durch die Bedrohung notwendig geworden.

In Haifa, der neuen Heimat, wuchs Benyamin im „Kasseler Haus“ auf; in diesem Mehrfamilienhaus fanden sich die Verwandten aus Kassel wieder zusammen und pflegten dort die Deutsche Sprache und Kultur. Benyamins Vater – ein gelernter Kaufmann und Wollwäscher, sowie begabter Journalist aus Passion – schrieb selbst kleine Theaterstücke, veranstaltete Lesungen in Deutscher Sprache und Konzerte mit Werken Deutscher Komponisten. So blieb Benyamin der Deutschen Kultur auch in seiner neuen Heimat sehr verbunden. Und dies half ihm sicher, sich dem Nachkriegsdeutschland wieder anzunähern.

Über die Balintarbeit, die er nach Israel brachte, haben wir, die Unterzeichner und stellvertetend für die Mitglieder der Deutschen Balintgesellschaft, zu ihm professionellen Kontakt und sehr bald einen freundschaftlichen Kontakt bekommen. Er kam gern zusammen mit seiner Frau Elly zu unseren Tagungen und hat sie mit Vorträgen und Gruppenleitungen stets bereichert. Unsere Art der Balintgruppengestaltung hat er fruchtbar kritisiert, sie sei oft kompliziert, verstiegen, nicht pragmatisch, nicht alltagstauglich. Es sei erinnert an eine Großgruppe in Würzburg, in der er immer wieder versuchte, auf das Wesentliche zurückzuführen. Zu viele Phantasien, Spekulationen mochte er nicht; er fragte eher Details nach und blieb gern näher an der Realität. So haben wir ihn geschätzt.

Balintarbeit war für ihn kein Selbstzweck. Immer ging es ihm um die Beziehung von Arzt und Patient und wie sie sich gestalten kann. Dafür waren ihm auch Hausbesuche wichtige Beispiele. Er schrieb:

„Früher waren ja Hausbesuche ein großer und wichtigen Teil der Hausärztlichen Praxis. Heut zu Tage werden, in Israel und ich denke auch in Deutschland, immer weniger Hausbesuche gemacht. Sie kosten viel Zeit und werden in unserem System schlecht bezahlt; Kollegen haben manchmal den Eindruck, dass der Hausbesuch nicht nötig und überflüssig war und dass man sie manipuliert hat. Der Hausbesuch findet auf dem Territorium des Patienten statt, und manche Ärzte fühlen sich nur in ihrem eigenen Territorium gut und sicher. Ich kenne das Problem gut aus unseren Balint Gruppen.“

Und dabei war er ein begnadeter Geschichtenerzähler mit Humor und Witz. Das Narrativ war ihm wichtig, auch in der Gestaltung der Arzt-Patient-Beziehung. In Israel hatte er es in seinem Beruf zunächst als Allgemeinarzt, später als Psychiater mit den unterschiedlichen Kulturen zu tun. Er war neugierig und hörte gern die Geschichten der Beduinen, der Araber, der Juden unterschiedlicher Herkunft. Sein Credo war und blieb das friedliche Zusammenleben.

Die Geschichte seines Vaters hat er der Germanistin und Freundin Eva Schulz-Jander aus Kassel erzählt, die ein wunderbares Buch daraus gemacht hat mit dem schönen Titel: „Von Kassel nach Haifa. Die Geschichte des glücklichen Juden Hans Mosbacher“. Wir verstehen aus dieser Erzählung die Lebensart von Benyamin, seine menschenfreundliche Einstellung. Es erzählt viel auch über ihn selbst. Und so schreibt er in seinem Nachwort: „…war es eine indirekte Form auch über mich selbst zu erzählen? Ich habe 2 Wurzeln: eine jüdisch-israelische und eine europäische. Meine Muttersprache ist Deutsch und diese Sprache wurde ja bei uns zu Hause weiter gepflegt und gefördert. Meine Schulsprache aber war Hebräisch, und dies ist die Sprache, in der ich am besten schreibe und lese. Die Sprache meines medizinischen Studiums war Holländisch und meine Frau, Elly, ist in Holland geboren. Die Sprache des Faches Literatur und der Veröffentlichungen war Englisch.

Aber es ist ja nicht nur die Sprache, um die es geht, sondern um die Identität und den kulturellen Hintergrund.“

So sagte Benyamin einmal: „In Israel bin ich der typisch Deutsche und in Deutschland bin ich der Israeli.“ Darin lag ein wenig Wehmut, aber auch die für ihn typische positive Beschreibung, „eine Art Brücke“ zu sein. Und so zitiert er in o.g. Nachwort seinen Vater und konstatiert, dass er sich mit dessen Bestreben identifizierte, den Kasslern zu sagen, „dass ihr sehr viel verloren habt, indem ihr uns rausgeschmissen habt“ und er selbst fügt hinzu, „dass ich, genau wie er, den Kasslern erzählen wollte, dass wir als ehemalige Kassler Juden weiter leben, schaffen und Spaß am Leben haben.“

Benyamin ist neben seinem Vater im Kibbuz Hazorea begraben.

Benyamin Maoz war ein Glücksfall für die Deutsche Balintgesellschaft und für uns ganz persönlich. Wir haben ihm viel zu verdanken. Er hat uns erleben lassen, was Beziehungsarbeit ist. Er stand für Offenheit, Toleranz und ein positives Menschenbild.

Er selbst schrieb noch in diesem Jahr im Balint Journal eine relevante Bemerkung: „Die Begegnung von mir mit Deutschen ist ja auch eine Begegnung zwischen einem Juden und Christen. Auf dieser Ebene habe ich immer wieder erlebt, dass das alte Testament unsere gemeinsame Wurzel ist. Jeder liest und deutet den Text auf seine Weise, aber die Basis ist gemeinsam und kann verbindend sein. Leider kann auch das Gegenteil geschehen… „

Es wird Vieles von ihm bleiben, seine Gedanken — wie die der Salutogenese (zusammen mit A. Antonovsky)— seine Bücher, seine Forschungsansätze, seine Artikel. Und Vieles werden wir vermissen, ganz besonders auch in der Internationalen Balintarbeit, seine kluge Vermittlung, seine klaren Worte, die persönliche Begegnung. Sein verschmitztes Lächeln wird uns sehr fehlen.

Heide Otten, Ernst Petzold, Günther Bergmann