Laryngorhinootologie 2015; 94(05): 322-323
DOI: 10.1055/s-0034-1394392
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zunehmende Heiserkeit bei Glottisschlussinsuffizienz unklarer Genese

Increasing Hoarseness due to Insufficient Glottical Closure of Unclear Origin
S. Dippold
1   Institut für Musikermedizin, Universitätsklinik Freiburg
,
S. Timme
2   Institut für Pathologie, Universitätsklinik Freiburg
,
B. Richter
1   Institut für Musikermedizin, Universitätsklinik Freiburg
,
M. Echternach
2   Institut für Pathologie, Universitätsklinik Freiburg
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
27 November 2014 (online)

Kasuistik

Anamnese

Ein 63-jähriger Patient stellte sich mit seit einem halben Jahr bestehender Heiserkeit mit stark behauchter Stimmgebung in unserer stimmärztlichen Sprechstunde vor. Über andere Symptome wie Dyspnoe, Schmerzen, Mundtrockenheit oder ein Globusgefühl berichtete der Patient nicht. Unter der Diagnose einer Schlussinsuffizienz der Stimmlippen hatte der Patient bereits eine logopädische Therapie durchgeführt. Diese erbrachte jedoch keine Verbesserung des Stimmklang, bzw. der stimmlichen Leistungsfähigkeit. Anamnestisch berichtete der Patient weiterhin über eine 5 Jahre zuvor behandelte Antrumgastritis (Helicobacter positiv). Aktuell wurden keine Medikamente eingenommen, ein Alkohol- oder Zigarettenkonsum bestand nicht.


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Klinischer Befund/Diagnostik

Klinisch zeigte sich bis auf eine Septumdeviation nach links ein unauffälliger HNO-ärztlicher Untersuchungsbefund. In der Laryngoskopie imponierte die Larynxschleimhaut rosig und nicht entzündlich verändert, beide Stimmlippen waren glatt, grau und hinsichtlich der Rotation der Arytänoidknorpel frei beweglich. Es zeigte sich kein Hinweis für eine Laryngitis posterior. Bei Phonation imponierte in der Stroboskopie eine persistierende Spaltbildung im Bereich der vorderen Glottis. Die Schwingungsamplituden und Randkantenverschiebungen der Stimmlippen waren in diesem Bereich eingeschränkt, das Schwingungsverhalten war nicht symmetrisch.

In der Stimmtestung klang die Stimme behaucht und wies eine verminderte Steigerungsfähigkeit auf, sodass die Klassifikation nach dem RBH-Schema in R0B2H2 vorgenommen wurde. In der weiteren Stimmtestung nach dem Protokoll der Europäischen Laryngologischen Gesellschaft erreichte der Patient einen Dysphonia Severity Index von 1,1. Der Voice Handicap Index lag bei 42 Punkten.


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Differenzialdiagnose/Diagnose

Differenzialdiagnostisch kann eine Einschränkung der stimmlichen Leistungsfähigkeit bedingt durch einen unvollständigen Stimmlippenschluss bei Phonation in funktionelle und organische Ursachen unterteilt werden. In der Laryngostroboskopie wurde zunächst kein mechanisches Hindernis im Sinne einer Schwellung, eines Ödems oder einer Gewebeneubildung gesehen. Auch Epithelveränderungen, welche die Schwingungseigenschaften des Stimmlippengewebes behindert, bspw. eine Vernarbung oder ein Sulcus glottidis ließen sich nicht feststellen. Aufgrund des Fehlens organischer Ursachen wurde die Diagnose einer funktionellen Dysphonie gestellt.


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Therapie/Verlauf

Es erfolgte eine erneute logopädische Übungsbehandlung mit detaillierter Arbeitsempfehlung (Förderung von Resonanzstrategien, Stimmentspannung). Auch diesmal kam es nach 10 Einheiten logopädischer Therapie zu keiner Besserung der Symptomatik. In der anschließenden Kontrolluntersuchung nach 3 Monaten fiel nun jedoch subglottisch im vorderen Larynx eine Gewebezunahme auf. Hierdurch schienen sowohl die Störung der Schwingungsamplituden der Stimmlippen als auch die Minderung der Randkantenverschiebungen in diesem Bereich erklärbar ([Abb. 1]). Aus diesem Grund wurde eine Mikrolaryngoskopie mit Probeentnahme durchgeführt. Intraoperativ zeigte sich im vorderen Larynxbereich subglottisch subepithelial derbes gelbliches Gewebe, welches abgetragen wurde, um somit wieder einen vollständigen Glottisschluss in diesem Bereich zu ermöglichen. Postoperativ kam es zu einer Normalisierung der Schwingungsamplituden und Zunahme der Randkantenverschiebungen. Dies führte zu einer Verbesserung der Stimmfunktion (DSI 2,7, VHI 30 Punkte, R0B1H1). In der histologischen Aufarbeitung wurde die Diagnose einer lokalen Leichtkettenamyloidose des Typs AL lambda gestellt. Die entnommenen Gewebeproben wiesen in der Kongorotfärbung unter polarisiertem Licht eine typische Brechung auf ([Abb. 2]).

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Abb. 1 Laryngoskopie mit subglottischen Amyloidablagerungen im vorderen Anteil, welche bei Phonation einen vollständigen Stimmlippenschluss verhindern. Das linke Bild zeigt die Respirations-, das rechte Bild die Phonationsstellung.
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Abb. 2 Histologisches Präparat der Amyloidose (100-fach Vergrößerung) in der Kongorotfärbung (links) und mit typischer Lichtbrechung im polarisierenden Licht (rechts).

Um eine Systemerkrankung auszuschließen, wurde der Patient daraufhin in der rheumatologischen Ambulanz vorgestellt. Sowohl in den laborchemischen Untersuchungen (Entzündungsparameter, Differenzialblutbild, Urin), als auch immunserologisch (Immunfixationstests für monoklonale Immunglobuline, ANCA, ANA, Rheumafaktoren) zeigten sich keine Auffälligkeiten. Virologisch konnte ebenfalls eine Infektion mit Hepatitis B- bzw. -C-Viren, sowie eine HIV-Infektion ausgeschlossen werden. Auch bildgebende Diagnostiken wie ein Röntgen der Lunge, eine Ultraschalluntersuchung des Abdomens, Gastro-/Koloskopie und ein Lungenfunktionstest waren unauffällig. Insgesamt zeigte sich kein Anhalt einer Systemerkrankung, wie bspw. einer rheumatoiden Arthritis, einer monoklonalen Gammopathie oder einer Plasmazellerkrankung. Eine chronisch entzündliche Darmerkrankung oder ein pulmonaler Prozess bzw. ein Fiebersyndrom konnten ausgeschlossen werden. Die humangenetische Mitbeurteilung zeigte keine potenziell krankheitsauslösende Mutation in den untersuchten Bereichen des ApoA-1-Gens. Diese gilt als Ursache vieler hereditärer Amyloidosen und könnte auch zu einer Amyloidose im Kehlkopfbereich führen (Röcken C et al., Dtsch med Wochenschr 2006; 131: 2795–2796). Empfohlen wurde die regelmäßige Zufuhr der Grüntee-Substanz Epigallocatechingallat (EGCG), nach dessen Einnahme eine Verminderung der Amyloidablagerungen und Verbesserung der kardialen Funktionen bei Patienten mit (systemischer) Amyloidose beschrieben werden konnte (Mereles D et al., Clin Res Cardiol. 2010 Aug; 99: 483–490).

Drei Jahre nach der Erstdiagnose zeigte sich bei nachlassender Stimmqualität trotz Fortführung o.g. Therapie ein Lokalrezidiv, welches erneut operativ versorgt wurde.


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