Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2014; 24 - A7
DOI: 10.1055/s-0034-1389655

Biofeedback in der physikalisch-medizinischen Therapie und Rehabilitation onkologischer Patienten sowie in der begleitenden Therapie ihrer Angehörigen und Behandler

R Crevenna 1, T Sedghi Komanadj 1, M Keilani 1
  • 1Univ. Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation, Medizinische Universität Wien, Wien

Fragestellung: Biofeedback ist eine apparativ-instrumentelle Methode zur Erlangung oder Verbesserung der Selbstkontrolle über physiologische bzw. psychophysiologische Vorgänge im Körper und steht unter dem Motto „Messen-Wahrnehmen-Verstehen-Ändern-Können“. Das Prinzip der Selbstwirksamkeitsüberzeugung spielt hier eine wichtige Rolle – am Ende steht die Selbstkompetenz. Die vorliegende Übersicht gibt eine Darstellung der Einsatzmöglichkeiten für Biofeedback in der physikalisch-medizinischen Begleitung und Rehabilitation onkologischer Patienten, ihrer Angehörigen und Behandler.

Methode: (Traditionelle) Übersicht.

Resultate: Angst (vor der Erkrankung, vor einem Rückfall, vor dem Tod, was wird aus meinen Angehörigen, wie geht es weiter...) führt zur überproportionalen psychophysiologischen und psychomotorischen Aktivierung und zu schmerzhaften Verspannungen. Biofeedback bewährt sich hier bei Kurzzeitinterventionen hinsichtlich Entspannung und Angstreduktion (besonders bei Patientinnen mit infauster Prognose). Bei psychischen An- und muskulären Verspannungen in Angst- und Stress-Situationen und daraus resultierenden Schmerzsyndromen (Zervikalsyndrom, Dorsolumbalgien, Spannungskopfschmerz etc.) kann Biofeedback über aktives Wahrnehmen und die Bewusstmachung von Verspannungen und muskulären Dysbalancen wirksam eingesetzt werden. Die Patienten lernen neben einem suffizienten Stressmanagement (Hautleitwert, Temperatur, Atmung etc.) über ein EMG-Feedback ein individualisiertes Übungs- und Trainingsprogramm, um verspannte Muskelpartien zu entspannen, abgeschwächte zu trainieren und verkürzte aktiv zu dehnen. Gerade bei fortgeschrittenen Erkrankungen mit Knochenmetastasierung oder bei Multiplem Myelom bewährt sich diese Anwendung von Biofeedback besonders.

Inkontinenz für Harn und/oder Stuhl sowie Entleerungsstörungen der Speicherorgane, aber auch sexuelle Funktionsstörungen können mit Biofeedback in Kombination mit Beckenbodengymnastik und -training effektiv angegangen werden.

Eine Biofeedback-unterstützte Atemschulung sowie Atemtraining (vor und nach Thorax-Operationen) scheint ebenso sinnvoll wie präoperative Wahrnehmungsschulungen für den Beckenboden.

Bei terminalen Patienten, die für ihre Behandler praktisch nicht mehr kontaktierbar sind, hat sich v.a. der Parameter „Herzratenvariabilität“ (HRV) bewährt, um doch noch „Antworten“ hinsichtlich besonderer Schmerzspitzen (mit psychophysiologischer Aktivierung und Sinken der HRV) zu bekommen und dadurch adäquate Adaptierungen der therapeutischen Medikation durchführen zu können.

Die Behandlung von Angehörigen, Pflegern und Therapeuten (die „Burnout“ genannte Depression betrifft besonders häufig pflegende Angehörige sowie Behandler) mit vermehrter psychophysiologischer Aktivierung, Überlastungssyndrom und Erschöpfungssymptomen sowie mit muskuloskeletalen Beschwerden ist eine weitere optimale Indikation zur Anwendung von Biofeedback.

Diskussion: Biofeedback hat in der physikalisch-medizinischen Begleitung und Rehabilitation onkologischer Patienten sowie in der begleitenden Therapie ihrer Angehörigen und Behandler sinnvolle Einsatzgebiete im multimodalen schulmedizinischen Behandlungskonzept. Dem Autor (seit 2008 Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Biofeedback und Psychophysiologie, ÖBFP, ZVR-Nr.: 884827737) ist es wichtig, dass durch kompetente fachärztliche Supervision bei medizinischen Indikationen die ausnahmslose Anwendung von Biofeedback im schulmedizinischen Bereich gesichert bleibt und ein Abgleiten der Methode in die Grauzone des alternativmedizinischen Bereichs verhindert wird. Eine schulmedizinische Verankerung der Methode wurde durch die Übernahme ins Lehrangebot der Medizinischen Universität Wien bereits durchgesetzt. Für die Zukunft ist neben dem Ausbau eines kompetenten Biofeedback-Angebots auch die Kostenübernahme für die Biofeedback-Therapie anzustreben.

Lit.: Richard Crevenna. Biofeedback-Basics und Anwendungen. Maudrich 2010, ISBN-10:3-85175-920-6