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DOI: 10.1055/s-0034-1389162
Akute Myeloische Leukämie: Was hat sich in den letzten 30 Jahren bewegt?
Die Akute Myeloische Leukämie (AML) ist eine Erkrankung des älteren Patienten mit einem medianen Erkrankungsalter von 67 Jahren. Auch heute noch stirbt die Mehrzahl der Patienten an dieser Erkrankung innerhalb der ersten beiden Jahre nach Diagnose-Stellung. Trotz dieser schlechten Nachrichten hat sich doch viel getan in den letzten dreißig Jahren. Schon vor Jahrzehnten fielen bei der AML charakteristische strukturelle chromosomale Veränderungen auf, die schon früh für die klinische Charakterisierung der AML verwandt wurden. Heute wissen wir, dass die AML – wie alle anderen malignen Erkrankungen auch – das Ergebnis einer Serie von somatischen Mutationen in myeloischen Vorläuferzellen sind, die in Kombination die Malignität der Erkrankung verursachen. Die revolutionären methodischen Fortschritte in der Gen-Sequenzierung, der Bestimmung von epigenetischen Veränderungen, der Messung der Expression von Genen auf RNA-Ebene und in jüngster Zeit auch Untersuchungen der Protein-Expression – alles an großen Patienten-Zahlen – haben uns über die letzten dreißig Jahre atemberaubende Erkenntnisse über die Heterogenität der AML und ihre molekulare Pathogenese erbracht. Die klinische Anwendung dieses Wissens bleibt aber noch immer hinter den hohen Erwartungen zurück, die diese Arbeiten wecken: zwar werden molekulare Veränderungen für die Abschätzung der Prognose von AML-Patienten herangezogen – aber noch immer ist die Zulassung von Medikamenten zur Behandlung der AML nur selten das Ergebnis rationaler molekularbiologischer Erwägungen. Um so wertvoller sind die Ausnahmen: die Therapie mit demethylierenden Substanzen hat sich auch bei der AML ihren festen Platz erobert und ist ohne Zweifel das Ergebnis auch von Forschungen über die epigenetischen Ursachen der AML. Auch die Entwicklung von Kinase-Inhibitoren für die Behandlung von Patienten mit AML-Formen, bei denen eine Aktivierung dieser Proteine durch Mutationen oder andere Mechanismen gefunden wurde, ist vielversprechend. In der klinischen Routine haben wir aber noch immer merkwürdig wenige prädiktive Marker für bestimmte Therapie-Formen – trotz einem schier unerschöpflichen Fundus an bekannten molekulargenetischen Veränderungen. Es hat sich also in unserem Verständnis der AML Atemberaubendes getan in den letzten dreißig Jahren, in der Behandlung leider aber nicht so viel – wäre da nicht die Stammzelltransplantation und die Rezidiv-Therapien für Patienten nach Stammzelltransplantation, die für die messbare Verbesserung der Behandlungsergebnisse sorgen, zumal heute auch ältere Patienten dieser noch immer sehr toxischen Behandlungsform zugeführt werden können. Die gute Vorhersage des Rezidiv-Risikos von Patienten, die Senkung der Toxizität der allogenen Stammzell-Transplantation, die Einführung von demethylierenden Substanzen in die Therapie und natürlich die spezifische Behandlung der Akuten Promyelozyten-Leukämie – das sind die klinischen Fortschritte bei dieser leider noch immer tödlichen Erkrankung.