Z Geburtshilfe Neonatol 2014; 218 - P18
DOI: 10.1055/s-0034-1375727

Anwendung und Dosierung von Misoprostol zur Prophylaxe und Therapie der Uterusatonie – Deutschland 2013 und im internationalen Vergleich

TW Goecke 1, F Voigt 1, N Maass 1, W Rath 2
  • 1Klinik für Gynäkologie und Geburtsmedizin, Universitätsklinikum der RWTH Aachen
  • 2Medizinische Fakultät der RWTH Aachen

Zielsetzung:

Misoprostol (Cytotec®) wurde ursprünglich zur Therapie von gastrointestinalen Ulzera entwickelt und zugelassen. Eine Nebenwirkung ist die Induktion von Kontraktionen am graviden Uterus, wofür Misoprostol auf der WHO-Liste der „Essential Medicines“ steht. Ziel dieser Arbeit war eine Standortbestimmung zum Einsatz von Misoprostol an deutschen Geburtskliniken zu erheben sowie Abgleich der Daten mit den Dosis-Empfehlungen der WHO und DGGG.

Methodik:

Von Mai-Juli 2013 wurde eine deutschlandweite Befragung aller geburtshilflichen Kliniken zum Einsatz von Misoprostol in der Geburtsmedizin mittels Fragebogen durchgeführt. Angeschrieben wurden alle Kliniken mit Geburtshilfe in Deutschland (n = 738).

Ergebnisse:

Von den angeschriebenen Kliniken haben 69% (n = 542) geantwortet, insgesamt setzen 72% (n = 388) Misoprostol im Zusammenhang mit atoner Uterusblutung ein. Die häufigste Applikationsform von Misoprostol im Zusammenhang mit einer Uterusatonie ist die rektale Applikation (95%; n = 364). Die meisten Kliniken (72%, n = 278) setzten Misoprostol im Zuge der Atonie-Therapie nicht „first-line“, sondern ausschließlich nach anderen Uterotonika ein. Als „first-line“ Therapie wird Misoprostol von 15% der Kliniken (n = 60) eingesetzt, zur Prophylaxe von 13% (n = 50). Insgesamt wurden zur Prophylaxe/Therapie einer Atonie 18 unterschiedliche Schemata genannt, am Häufigsten 800 µg rektal (27%; n = 105), gefolgt von 400 µg rektal (24%; n = 91), und 1000 µg (15%; n = 59), rektal; letzteres spiegelt die Empfehlung der abgelaufenen DGGG-Leitlinie (AWMF-Nr. 015/063) wieder. Zur Prophylaxe sowie „first-line“-Therapie einer Atonie wurde am Häufigsten 400 µg Misoprostol rektal eingesetzt (32%; 38%). Bei der sekundären Anwendung nach anderen Uterotonika wurde am Häufigsten 800 µg rektal verwendet (29%). Keine Klinik folgt den Dosierempfehlung der WHO von 2013 (Prophylaxe 600 µg p.o., Therapie bei Versagen von Oxytocin 800 µg sublingual).

Diskussion:

Trotz „off-label use“ und in der Literatur umstrittenen Effektes von Misoprostol zur Atonieprophylaxe/-therapie wird Misoprostol in Deutschland von der Mehrheit der Kliniken zur hierfür eingesetzt. Das breite Spektum an Dosierschemata ist möglicherweise dem aktuell eher unklare Tenor der Literatur geschuldet. Zu klären bleibt, ob Misoprostol überhaupt zur Atonieprophylaxe/-therapie eingesetzt werden sollte, und wenn ja, wieviel in welcher Applikationsform. Die in Aussicht gestellte DGGG-Leitlinie wird diesbezüglich interessant sein.