Psychother Psychosom Med Psychol 2014; 64(03/04): 91
DOI: 10.1055/s-0034-1369923
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Endlich: Psychosomatische Institutsambulanzen!

At Last: Psychosomatic Outpatient Clinics According to § 118 Abs. 3 SGB V
Burkard Jäger
Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover
,
Martina de Zwaan
Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
25. März 2014 (online)

Seit über 30 Jahren gibt es psychiatrische Institutsambulanzen und es ist nicht verfehlt, diese als Erfolgsmodell der sektorübergreifenden Versorgung zu bezeichnen: entsprechend der gesetzlichen Vorgabe können Patienten, die nach Art, Schwere und Dauer der Erkrankung in Gefahr stehen, regelmäßig stationär aufgenommen zu werden, oder die keinen Facharzt in der Nähe haben, mittels eines flexiblen, interdisziplinären Behandlungsansatzes in der psychiatrischen Klinik oder in der Fachabteilung eines Krankenhauses adäquat ambulant versorgt werden.

Auch auf psychosomatischem Fachgebiet gibt es Patienten, für die die Angebote der niedergelassenen Psychotherapeuten nicht ausreichend sind, die aber auch keiner längerfristigen Hospitalisierung bedürfen. Es handelt sich z. B. dabei – anders, als bei typischen PIA-Patienten – nicht um Patienten mit langfristigen Störungen der F2x-Gruppe des ICD-10, sondern z. B. um Schmerzpatienten mit Migrationshintergrund, um stark übergewichtige Patienten mit einer Binge-Eating-Störung oder um Patienten mit schweren Anpassungsproblemen oder problematischen Komorbiditäten, wie z. B. manipulativem Krankheitsverhalten bei Diabetes in Kombination mit einer Essstörung. Neben dem relativ hohen Bedarf an Psychotherapie mit somatischer Kompetenz ergibt sich für diese Patienten häufig das Problem, dass sich kein niedergelassener Psychotherapeut mit den entsprechenden Fachkompetenzen und/oder der Bereitschaft zur Therapie findet oder patientenseitig noch keine Motivation zur Psychotherapie besteht.

Einige psychosomatische Fachabteilungen und Kliniken haben die Chance, diese Patienten über eine psychosomatische PIA zu versorgen, aktiv gesucht und umgesetzt, wobei eine enge und vertrauensvolle Kooperation mit der örtlichen Psychiatrie praktisch immer die Voraussetzung war. Mitte 2012 hat auch der Gesetzgeber die Möglichkeiten und Sparpotenziale einer psychosomatischen PIA für förderungswürdig erachtet und deren Einrichtung im Rahmen des Entgeltgesetzes über eine Ergänzung des § 118, SGB V ermöglicht, für die sich mittlerweile das Akronym „PSIA“ verbreitet hat.

Soweit man von den existierenden PSIAs auf die zukünftigen Schwerpunkte und Arbeitsmethoden schließen kann, liegen die typischen Angebote im Bereich von Gruppentrainings und interdisziplinären Angeboten ergänzender Verfahren. Schmerzgruppen, Krankheitsbewältigungsgruppen und Stabilisierungsgruppen bilden häufig das Rückgrat einer PSIA, wobei einzeltherapeutische Angebote und Angebote z. B. durch Sozialpädagogen oder Ergotherapeuten den individuellen Therapieplan vervollständigen. Eine große Verbesserung der Versorgung kann für Diagnosegruppen bewirkt werden, die andernorts kaum je ein passendes Behandlungsangebot finden, wie z. B. Patienten vor und nach bariatrischer Operation gegen massive Adipositas, posttraumatisch erkrankte Patienten mit Typ-2-Trauma oder Patienten mit progredienten körperlichen Erkrankungen.

Zurzeit wird zwischen den Vertragspartnern, d. h. der DKG für die Krankenhäuser, der GKV für die Krankenkassen und der KBV für die Vertragsärzte eine Vereinbarung verhandelt, die analog zur PIA-Rahmenvereinbarung das Leistungsangebot, die Diagnosengruppen und den Zugang zur PSIA regeln soll, wobei der Umsetzung der regionalen Versorgungsverpflichtung besonderes Augenmerk zukommt. Dabei wird darauf geachtet, keine Doppelstrukturen zu schaffen und den bisherigen Indikationsbereich psychiatrischer PIAs unverändert zu lassen.

Psychosomatische Institutsambulanzen können damit eine wichtige Lücke zwischen der Richtlinienpsychotherapie und der stationären Versorgung psychosomatisch Kranker schließen; deren relativ niederschwelliges Versorgungsangebot kann eine somatische Iatrogenisierung und Fehlbehandlung zu verhindern helfen und beim Patienten die notwendige Motivation für eine weiterführende Psychotherapie initiieren. Psychiatrische PIAs und deren langjährige Weiterentwicklung durch engagierte psychiatrische Kolleginnen und Kollegen werden dabei als ein wichtiges Vorbild dienen.