Z Gastroenterol 2014; 52(5): 512-513
DOI: 10.1055/s-0033-1362488
Mitteilungen des BVGD
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Was muss der Gastroenterologe über das Infektionsschutzgesetz wissen?

Peter Bischoff
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Publication Date:
19 May 2014 (online)

Der klinisch tätige Arzt sieht es im Allgemeinen als unangenehm oder lästig an, sich mit Gesetzestexten auseinandersetzen zu müssen. In der alltäglichen Arbeit wird man jedoch regelmäßig damit konfrontiert. Infektiöse Gastroenteritiden sind in Deutschland der weitaus häufigste Grund für eine Meldung an das Gesundheitsamt.

Im Januar 2001 wurde das Bundesseuchengesetz durch das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen ersetzt. Besser bekannt ist es unter dem noch heute geltenden Namen Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Das Gesetz regelt durch den § 6 IfSG welche Krankheiten bei Krankheitsverdacht, Erkrankung oder Tod durch den Arzt meldepflichtig sind. Zur Meldung verpflichtet ist nach § 8 IfSG der feststellende Arzt. Für die Einhaltung der Meldepflicht ist neben dem feststellenden Arzt auch der leitende (Abteilungs-)Arzt bzw. der behandelnde Arzt zuständig. Falls einer der sechsundfünfzig in § 7 IfSG aufgeführten Erreger labordiagnostisch nachgewiesen wird, hat eine separate Meldung seitens des Laborleiters (§ 8 IfSG) zu erfolgen. Eine Meldung ist an das für den Aufenthaltsort des Betroffenen zuständige Gesundheitsamt zu richten. Die jeweiligen Angaben, die eine Meldung beinhalten muss, sind in den §§ 9 IfSG (namentlich) und 10 IfSG (nicht-namentlich) geregelt. Die Meldeformulare werden von den jeweiligen Landesbehörden zur Verfügung gestellt. Im § 11 IfSG ist festgelegt, welche dieser Meldedaten vom Gesundheitsamt an die zuständige Landesbehörde und von dort an das RKI übermittelt werden. Das RKI wertet die übermittelten Meldedaten infektionsepidemiologisch aus und veröffentlicht diese periodisch.

Im RKI-Jahrbuch von 2012 ist das Norovirus als weitaus häufigster Erreger nosokomialer Ausbrüche (in 69 % der Fälle) identifiziert. Clostridium difficile war 2012 der häufigste bakterielle Erreger nosokomialer Ausbrüche in Deutschland.

Für den Gastroenterologen spielen hier u. a. nach § 6 IfSG eine Rolle:

  • akute Virushepatitiden, das enteropathische hämolytisch-urämische Syndrom, Typhus und Paratyphus

  • der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, wenn

    • eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Lebensmittelbereich ausübt oder

    • zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird.

  • schwer verlaufende Infektionen mit Clostridium difficile (CDAD / CDI), die als bedrohliche Krankheit mit Hinweis auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit gesehen werden.

  • das gehäufte Auftreten [zwei oder mehr] nosokomialer Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, ist dem Gesundheitsamt unverzüglich (< 24 h) als Ausbruch nichtnamentlich melden.

In § 42 IfSG sind Tätigkeits- und Beschäftigungsverbote festgehalten für Personen, die an Typhus / Paratyphus, Cholera, Shigellenruhr, Salmonellose, einer anderen infektiösen Gastroenteritis oder Virushepatitis A oder E erkrankt oder dessen verdächtig sind bzw. die Krankheitserreger Shigellen, Salmonellen, enterohämorrhagische Escherichia coli oder Choleravibrionen ausscheiden.

Trotz bestehender gesetzlicher Regelungen zur Prävention und Kontrolle nosokomialer Infektionen wurden stagnierende Infektionsraten mit multiresistenten Erregern bzw. im gramnegativen Bereich sogar ansteigende Erregerzahlen beobachtet, die eine Zunahme von Behandlungsdauer, -kosten und Letalität mit sich führten. Gründe für diese Entwicklung wurden in einer unsachgemäßen Verordnung von Antibiotika, Mängel in der Durchführung hygienischer Maßnahmen und in der unzureichenden Umsetzung bestehender Empfehlungen gesehen.

Als Reaktion wurde 2011 das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze verabschiedet. Wesentliche Änderungen betreffen den § 23 IfSG: Nosokomiale Infektionen; Resistenzen; Rechtsverordnungen durch die Länder. Um einen rationaleren Umgang mit Antibiotika zu erreichen, wurde am Robert Koch-Institut (RKI) die Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie (ART) eingerichtet. Verantwortlichkeiten und Aufgaben der Leiter von medizinischen Einrichtungen wurden neu festgelegt. Darin sind Klinikleiter und Niedergelassene in Arztpraxen mit eingeschlossen. Maßnahmen zur Verhinderung von nosokomialen Infektionen sowie der Weiterverbreitung von multiresistenten Krankheitserregern müssen dem Stand der Wissenschaft entsprechen. Dies wird vermutet, wenn die Empfehlungen der Kommissionen am RKI beachtet worden sind. Abweichendes Verhalten ist möglich, wenn dies mit aktueller wissenschaftlicher Studienlage begründet wird. Im §23 IfSG ist ebenso die Aufzeichnung von nosokomialen Infektionen, multiresistenten Krankheitserregern und des Antibiotikaverbrauchs mit konsekutiver Bewertung und Anpassung der internen Maßnahmen gesetzlich vorgeschrieben. Dieses als Surveillance bezeichnete Verfahren dient nicht nur der internen Qualitätssicherung sondern führt auch zu einer einrichtungsübergreifenden Senkung von Infektionsraten und Antibiotikaverbrauch. Jedes Bundesland wurde verpflichtet, eine Hygieneverordnung zu erlassen. Darin sind umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Hygiene und deren Umsetzung im klinischen Alltag geregelt. In fast jedem Bundesland ist es u. a. ein Bußgeldtatbestand, aufnehmende Einrichtungen oder niedergelassene Ärzte bei der Verlegung, Überweisung oder Entlassung von Patienten mit multiresistenten Krankheitserregern nicht darüber zu informieren.

Für den Gastroenterologen, ob in Klinik oder Praxis, ist es unerlässlich, sich mit der im IfSG festgehaltenen Meldepflicht sowie den KRINKO- und Kommission ART-Empfehlungen auseinander zu setzen und diese im Arbeitsalltag nach Möglichkeit zu beachten. Die Umsetzung kann und sollte im interdisziplinären, berufsgruppenübergreifenden Team und unter Einbeziehen der Hygiene (Arzt und Pflege) erfolgen.