Diabetologie und Stoffwechsel 2014; 9(1): 25-27
DOI: 10.1055/s-0033-1362382
Leserbrief
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Leserbrief – Kontinuierliches Glukose- monitoring: Aktuelle Daten – Leserbrief zum Beitrag von Prof. Lutz Heinemann aus Diabetologie und Stoffwechsel 2013; 8: R47–R56

Helmut Kleinwechter
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Publication Date:
31 March 2014 (online)

Herr Heinemann berichtet auf Seite R50 seines CME-Artikels [1] mit Aufführung zweier Quellen [2],[3] über den Einsatz von CGM bei Schwangeren. Den von Herrn Heinemann gezogenen Schlussfolgerungen muss entschieden widersprochen werden.

  1. Herr Heinemann stellt fest, hochrangig publizierte Studien belegten den Nutzen von CGM und AP bei Schwangeren auch bei harten Endpunkten, d. h. Reduktion von Fehlbildungen. Diese Feststellung ist aus mehreren Gründen unrichtig. Zu AP gibt es meines Wissens zu dieser Frage überhaupt keine Studien. Die Studie von Helen Murphy et al. [2] wertete eine gemeinsame Gruppe von 71 Schwangeren unterschiedlicher Diabetes-Typen aus, und zwar 46 mit Typ-1- und 25 mit Typ-2-Diabetes. Den Frauen wurde in 4-6-wöchigem Abstand ein CGM-System bis 7 Tage „…supplementary … as educational tool…“ zwischen SSW 8 und 32 zur Verfügung gestellt. Primärer Endpunkt war die mütterliche Stoffwechseleinstellung im 2. und 3.Trimenon, sekundäre Endpunkte das Geburtsgewicht und die Makrosomierate. Fehlbildungen waren kein Endpunkt und in jeder Gruppe wurde ein lebendgeborenes Kind mit Fehlbildung registriert (p = 1,0). In einer aktuellen Übersicht zu CGM bei diabetischen Schwangeren [4] formuliert die Arbeitsgruppe von Frau Murphy: „For pregnant women to benefit from recent technological advancements in diabetes care, more rigorous evaluation and randomized controlled trials are needed“.

  2. Fehlbildungen sind kein harter sondern ein weicher Endpunkt. Die Prävalenz von Fehlbildungen ist abhängig von der Qualität der intragraviden Ultraschalluntersuchungen, von der Qualität der neonatologischen Untersuchung unmittelbar postnatal (U1 und U2) und den weiteren kinderärztlichen Vorsorgeuntersuchungen. Ein Teil der Fehlbildungen wird erst mit deutlichem Abstand von der Geburt bei Folgeuntersuchungen entdeckt. Fehlbildungen werden in Minor- und Majorfehlbildungen unterschieden, wobei weder Definition noch Grenzen international einheitlich gehandhabt werden und auch nicht unerhebliche Unterschiede in der Klassifikation durch verschiedene Untersucher beobachtet werden. Wie dies vorbildlich durch verblindete (!) Post-hoc-Analyse gelöst werden kann, zeigt die randomisierte Studie bei Schwangeren mit Typ-1-Diabetes im Vergleich NPH vs. Insulin Detemir [5].

  3. Die von Herrn Heinemann aufgebotene Quelle [3] ist keine Originalarbeit, sondern Helen Murphys Kommentar zu [6]. In dieser (bisher größten) Studie aus dem Reichshospital Kopenhagen erhielten 123 Frauen mit Typ-1- und 31 Frauen mit Typ-2-Diabetes Echtzeit-CGM intermittierend für 6 Tage mit 8, 12, 21, 27 und 33 SSW. Weder die Stoffwechseleinstellung noch das perinatale Ergebnis wurden durch CGM verbessert. Es gab keine Unterschiede bei den Fehlbildungen, bei zwei Neugeborenen von Frauen mit Typ-1-Diabetes wurden diese diagnostiziert. In ihrem Kommentar bewertet Frau Murphy die Resultate dann auch folgerichtig: „For clinicians hoping that CGM may help to improve maternal / fetal outcomes, the current results are disappointing” – CGM enttäuscht hier. Die dänischen Forscher hatten zusätzlich bei 27 von 60 Schwangeren mit Typ-1-Diabetes die Gelegenheit, den CGM-Einsatz während Wehen und Geburt zu dokumentieren und mit 59 Schwangeren bei konventioneller peripartaler Führung mit stündlichen Blutglukose-Selbstkontrollen zu vergleichen [7]. Die Prävalenz neonataler Hypoglykämien < 45 mg / dl (2,5 mmol / l) zeigte mit 37 vs. 46 % keinen Unterschied (p = 0,45).

  4. Stillen, so meint Herr Heinemann, sei ein weiterer Fokus für CGM, die Diabetes-Therapie sei in dieser Zeit komplizierter. Während der Stillphase benötigen Frauen mit Typ-1-Diabetes im Mittel deutlich weniger Insulin im Vergleich zu präkonzeptionell, haben eine verbesserte Insulinsensitivität und bekommen diese Phase einfacher trotz hoher psychosozialer Belastungen bewältigt. Über CGM bei Stillenden gibt es keine Studien.

  5. In einer aktuellen Übersicht zur Frage der Erstattung von CGM durch die Kostenträger bringen Heinemann und DeVries [8] die Sache auf den Punkt: „Continuous glucose monitoring is in itself a diagnostic tool; i. e. it does not influence any therapeutic intervention on its own“. Der Ausgang der Schwangerschaft bei Frauen mit Diabetes wird verbessert durch präkonzeptionelle Beratung, perikonzeptionelle Folsäuresubstitution und Absenken des HbA1c <7 %, Evaluation und Therapie von Begleit- und Folgekrankheiten, Betreuung von Schwangerschaft, Geburt und Neugeborenen durch Spezialisten – nicht durch CGM. Über CGM werden wir reden können, wenn die erste randomisierte Studie präkonzeptionell beginnend bis zur Geburt ohne Unterbrechung Echtzeit-CGM bei Frauen mit Typ-1-Diabetes eingesetzt hat. Unzureichende Erfahrung oder Unsicherheiten der Betreuer diabetischer Schwangerer oder menschliche Schwächen bzw. Adhärenzprobleme der Patientinnen werden weder durch Insulinanaloga, Pumpen und Bolusrechner noch durch CGM kompensiert.

Interessenkonflikte: keine

 
  • Literatur

  • 1 Heineman L. Kontinuierliches Glukosemonitoring: Aktuelle Daten. Diabetologie 2013; 8: R47-R56
  • 2 Murphy H, Rayman GLewis et al. Effectiveness of continuous glucose monitoring in pregnant women with diabetes: a randomized clinical trial. BMJ 2008; 337 DOI: 10. 1136/bmj.a1680.
  • 3 Murphy H. Continous glucose monitoring in pregnancy: we have the technology but not all the answers. Diabetes Care 2013; 36: 1818-1819
  • 4 Hewapathirana N, O`Sullivan E, Murphy H. Role of Continuous Glucose Monitoring in the Management of Diabetic Pregnancy. Curr Diab Rep 2013; 13: 34-42
  • 5 Hod M, Mathiesen M, Jovanovic L et al. A randomized trial comparing perinatal outcomes using insulin detemir or neutral protamine Hagedorn in type 1 diabetes. J Matern Fetal Neonatal Med 2013; DOI: 10. 3109/14767058. 2013. 799 650.
  • 6 Secher A, Ringholm L, Andersen H et al. The Effect of Real-Time Continuous Glucose Monitoring in Pregnant Women With Diabetes. A randomized controlled trial. Diabetes Care 2013; DOI: 10. 2337/dc12–2360.
  • 7 Cordua S, Secher A, Ringholm L et al. Real-time glucose monitoring during labour and delivery in women with Type 1 diabetes – observations from a randomized controlled trial. Diabet Med 2013; 30: 1374-1383
  • 8 Heinemann L, DeVries J. Evidence for continuous glucose monitoring: sufficient for reimbursement?. Diab Med 2013; DOI: 10. 111/dme. 12 341.