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DOI: 10.1055/s-0033-1362221
Referat – Reziproke Beziehung zwischen Hypoglykämie und Demenz
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
31. Januar 2014 (online)
Hintergrund: Patienten mit einem Diabetes mellitus haben ein gesteigertes Risiko für kognitive Beeinträchtigungen. Weil Glukose der primäre Energielieferant für das Gehirn ist, liegt die Vermutung einer Assozation von Demenz und Hypoglykämien nahe. Oder kommen Hypoglykämien vor, weil durch den mentalen Abbau das Diabetes-Management eingeschränkt ist?
Methoden: In die prospektive Kohortenstudie (Health ABC Study) wurden 783 Patienten mit einem Diabetes mellitus aufgenommen. Eine Demenz bestand zunächst nicht. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 74 Jahre, das Geschlechtsverhältnis war nahezu ausgeglichen und 47,0 % der Teilnehmer waren Schwarze. Während der 12 Beobachtungsjahre wurden 61 Patienten wegen einer Hypoglykämie behandelt. 21 (2,7 %) hatten mehr als 1 Ereignis. Verglichen mit den Patienten ohne Hypoglykämien wurde u. a. häufiger Insulin verwendet, war das HbA1c höher, die Schulbildung geringer und der kognitive Ausgangsbefund reduziert. Das Alter, Geschlecht, APOEε4-Allel und Begleiterkrankungen beeinflussten die Wahrscheinlichkeit nicht. Im gleichen Zeitraum erkrankten 148 Teilnehmer an einer Demenz (18,9 %). In dieser Gruppe wurde häufiger ein APOEε4-Allel nachgewiesen, waren Myokardinfarkte seltener und die kognitive Ausgangslage ungünstiger.
Ergebnisse: Von den Patienten mit und ohne Hypoglykämien entwickelte sich bei 34,4 % und 17,6 % eine Demenz (p < 0,001). Unter Berücksichtigung zahlreicher Einflussfaktoren bestätigte sich die 2-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit, wenn Unterzuckerungen vorgekommen waren (Hazard Ratio HR 2,1; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 1,0–4,4). Die Analyse aus der anderen Perspektive ergab ebenfalls eindeutige Befunde. Verglichen mit nicht dementen Patienten hatten solche mit einer Demenzdiagnose häufiger hypoglykämische Episoden (14,2 % vs. 6,3 %; p < 0,001). Auch diese Assoziation wurde im multivariaten Ansatz bestätigt (HR 2,2; 95 %-KI 1,1–4,6).
Andere Studien zur wechselseitigen Beziehung zwischen Hypoglykämie und Demenz waren zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen, seien aber aufgrund der verschiedenen Studienpopulationen und des oftmals retrospektiven Designs schlecht vergleichbar. Die aktuellen Resultate sind laut den Autoren nachvollziehbar. Mögliche Ursachen für die Hypoglykämie als Risikofaktor einer Demenz seien u. a. die erhöhte Vulnerabilität von Kortex und Hippocampus, die Zunahme von oxidativem Stress, die gesteigerte Bildung von Amyloidvorstufen und eine verstärkte Neurodegeneration. Häufigere Hypoglykämien bei Patienten mit einer Demenz reflektierten die zunehmende Unfähigkeit zum Selbstmanagement. Die Medikamenteneinnahme, Insulinapplikationen und die Reflektion von Warnsymptomen seien oftmals nur unzureichend möglich.
Folgerung: Hypoglykämie und Demenz waren beides: gegenseitige Ursache und Wirkung. Die bidirektionale Beziehung funktioniere wie ein Teufelskreis. Bei der Behandlung älterer Diabetiker müssten deshalb kognitive Beeinträchtigungen stärker berücksichtigt werden.
Dr. med. Susanne Krome