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DOI: 10.1055/s-0033-1357914
Kariologische Diagnostik und Befunddokumentation
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
23. Mai 2014 (online)
Einleitung
Herausforderungen der Kariesdiagnostik
Haben Sie sich schon einmal darüber Gedanken gemacht, dass die Diagnostik beim Zahnarzt zumeist ganz anders abläuft als beim Hausarzt oder Internisten? Bei letzteren stellt man sich häufig mit Beschwerden wie Bauchschmerzen vor. Der Arzt führt dann verschiedene diagnostische Untersuchungen durch und stellt dann aufgrund deren Ergebnisse die (hoffentlich) richtige Diagnose. Die Herausforderung des Arztes liegt hierbei darin, dem Beschwerdebild die richtige Krankheit zuzuordnen.
Screenigverfahren
In der Zahnarztpraxis läuft die Diagnostik meist ganz anders ab. Hier stellt sich der Patient regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen vor und hat zumeist noch keine Beschwerden. Auch weiß der Zahnarzt/in schon, wonach er oder sie sucht: Karies, Parodontitis und Mundschleimhautveränderungen. Die Herausforderung liegt hierbei daher eher darin, die genannten Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und ihr Stadium einzuschätzen, um so eine adäquate Therapie zu wählen. Die Kariesdiagnostik entspricht in den Industrienationen daher heute zumeist einem Screeningverfahren.
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Bild der Karies im Wandel
Auch wenn wir bei der Kariesdiagnostik wissen, wonach wir suchen, ist dadurch die Aufgabe nicht unbedingt leichter. Das Bild der Karies hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert und damit auch der zahnärztliche Beruf. Karies schreitet heute bei vielen Patienten aufgrund der weiten Verbreitung von Fluoriden nur langsam voran, sodass zumeist genügend Zeit für eine frühe Diagnostik und minimal intervenierende Therapie bleibt. Zusätzliche diagnostische Verfahren erlauben, Karies frühzeitig zu diagnostizieren, bevor sie mit der klassischen visuellen Befunderhebung überhaupt erst erkennbar wird. Auch stehen heute neben der klassischen invasiven (Füllungs-)Therapie noch weitere Maßnahmen zur Verfügung, die auf eine Arretierung der Karies abzielen. Der Erfolg dieser Behandlungsmethoden lässt sich aber nur durch ein Monitoring, also die Beobachtung der kariösen Läsion und die Beurteilung ihrer Aktivität über die Zeit beurteilen. All diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass an die Kariesdiagnostik heute höhere Anforderungen gestellt werden als noch vor einigen Jahren.
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Diagnostische Fehleinschätzungen
Bevor wir uns mit verschiedenen Methoden zur Kariesdiagnostik beschäftigen, ist es sinnvoll, Probleme und Fehlerquellen der Diagnostik anzusprechen. Jeder diagnostische Test ist fehlbar, produziert also neben richtig positiven Ergebnissen (Karies wird als Karies erkannt) und richtig negativen Ergebnissen (gesunde Zahnflächen werden als gesund erkannt) auch falsch positive Ergebnisse (gesunde Zahnflächen werden als kariös beurteilt) und falsch negative Ergebnisse (kariöse Zahnflächen werden für gesund gehalten). Diese richtigen und falschen Testergebnisse werden mit der sog. Vierfeldertafel beschrieben und gelten natürlich auch für andere dichotome (ja/nein) Einschätzungen wie die Bestimmung der Kariesaktivität (aktiv/inaktiv) oder die Notwendigkeit einer Restauration (ja/nein) (Abb. [1]).
Sensitivität und Spezifität
Die Güte eines diagnostischen Tests wird nun beschrieben mit der Fähigkeit des Tests, kranke Zahnflächen als krank zu erkennen (Sensitivität) und gesunde Zahnflächen als gesund zu erkennen (Spezifität). Der positive Vorhersagewert gibt an, wie wahrscheinlich ein positives Testergebnis auch mit einer in Wirklichkeit erkrankten Zahnfläche übereinstimmt. Der negative Vorhersagewert gibt dagegen an, wie wahrscheinlich ein negatives Testergebnis auch wirklich mit einer gesunden Zahnfläche einhergeht. Diese Begriffe wirken auf den ersten Blick etwas akademisch. Allerdings ist es von großer Bedeutung, sich bei der klinischen Diagnostik darüber bewusst zu sein, dass man regelmäßig diagnostische Fehler macht und wie man diese möglichst minimiert.
Merke: Die Sensitivität gibt an, wie gut ein diagnostischer Test kranke Zahnflächen als krank erkennt. Die Spezifität gibt an, wie gut ein diagnostischer Test gesunde Zahnflächen als gesund erkennt.
Natur des Problems
Jeder Test ist ungenau und damit macht jeder Zahnarzt diagnostische Fehler. Natürlich versucht man diese Fehler zu minimieren, aber vollständig verhindern kann man diese nicht. Daher ist ein offener und bewusster Umgang mit diesen Fehlern umso wichtiger. In der Diagnostik unterscheidet man zwischen Fehlern 1. Art (Typ-I-Fehler) und Fehlern 2. Art (Typ-II-Fehler). Zahnärzte und Patienten fürchten im Allgemeinen besonders Fehler der 2. Art. Diese entstehen, wenn eine erkrankte Zahnfläche fälschlicherweise als gesund eingeschätzt wird und daher eine Therapie unterbleibt. Nichts scheint schlimmer, als wenn ein Kollege über einen vorbehandelnden Kollegen urteilt, dieser habe eine Karies „übersehen“. Fehler 2. Art führen zu Unterbehandlungen und sind zum Leidwesen des vorbehandelnden Zahnarztes nachweisbar. Sie haben aber einen entscheidenden Vorteil: Sie sind zumeist korrigierbar.
Weit weniger gefürchtet, aber wahrscheinlich viel bedeutender sind Fehler der 1. Art. Diese entstehen, wenn erkrankte Zahnflächen als vermeintlich erkrankt (und therapiebedürftig) eingeschätzt werden, diese aber in Wirklichkeit gesund oder zumindest nicht therapiebedürftig sind. Diese Typ-I-Fehler führen zu Überbehandlungen. Für den fehlerhaft diagnostizierenden Zahnarzt haben sie den „Vorteil“, dass der Fehler nach erfolgter Füllungstherapie nicht mehr nachweisbar ist. Zum Leidwesen des Patienten ist der Fehler aber auch nicht mehr korrigierbar. Eine weitere Tücke bringen Fehler 1. Art mit sich: Der Zahnarzt lernt selten aus seinen falsch positiven Einschätzungen. Denn er sieht nur selten, welche möglicherweise für den Patienten positiven Konsequenzen es gehabt hätte, entsprechende Zahnflächen nicht zu restaurieren.
Cave: Fehler der 1. Art führen zu Überbehandlungen und sind bei seltenen Erkrankungen und einer Diagnostik mit Screeningcharakter besonders häufig.
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