Handchir Mikrochir Plast Chir 2013; 45(05): 265-270
DOI: 10.1055/s-0033-1355425
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Sensibilitätsrückkehr nach kindlichen Nervenverlet­zungen der Hand – welche Rolle spielt das Patientenalter?

Return of Sensitivity after Digital Nerve Reconstruction in Children: How does Age Affect Outcome?
J. A. Lohmeyer
1   Klinik und Poliklinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München, München
2   Abteilung für Handchirurgie, Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmstift, Hamburg
,
W. Hülsemann
2   Abteilung für Handchirurgie, Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmstift, Hamburg
,
M. Mann
2   Abteilung für Handchirurgie, Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmstift, Hamburg
,
D. Schmauß
1   Klinik und Poliklinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München, München
,
H.-G. Machens
1   Klinik und Poliklinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie, Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München, München
,
R. Habenicht
2   Abteilung für Handchirurgie, Katholisches Kinderkrankenhaus Wilhelmstift, Hamburg
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Publikationsverlauf

eingereicht 15. April 2013

akzeptiert 05. September 2013

Publikationsdatum:
02. Oktober 2013 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund:

Kindlichen Nervenverletzungen wird gegenüber denen von Erwachsenen eine bessere Regenerationsfähigkeit nach operativer Versorgung zugeschrieben, die Datenlage hierzu ist jedoch begrenzt. Ziel dieser Arbeit ist es, anhand des eigenen Patientengutes sowie der Ergebnisse einer Literaturrecherche eine altersabhängige Einschätzung der Prognose nach operativer Versorgung peripherer Nervenverletzungen der Hand zu ermöglichen.

Patienten und Methoden:

44 von 147 Patienten mit kompletter Durchtrennung von Nn. digitales palmares communes et proprii, die zwischen 2000 und 2009 operiert wurden und zum Zeitpunkt der Nachuntersuchung wenigstens 6 Jahre alt waren, konnten im Mittel nach 7,5 Jahre nachuntersucht werden. Insgesamt handelt es sich um 60 Nervenverletzungen, wovon 56 direkt koaptiert werden konnten, 4 mal war ein Interponat erforderlich. Zielkriterium war die Sensi­bilität der Fingerbeeren, erhoben anhand der 2-Punkte-Diskrimination (2PD) und des Semmes-Weinstein Monofilamenttests. Zudem wurden Über- und Kälteempfindlichkeit sowie Parästhesien erfasst. Um interindividuelle Unterschiede der normalen 2PD zu berücksichtigen, wurde zudem die Differenz der 2PD der verletzten zur gesunden Gegenseite als Delta-2PD berechnet. Das Alter zum Zeitpunkt der Verletzung, unterteilt in die Gruppen 0–5, 6–10 und 11–15 Jahre, wurde mit dem klinischen Ergebnis (2PD, Monofilamenttest) korreliert. Unter Einbezug der nach Lebensalter klassifizierten Ergebnisse von Lohmeyer et al. und Mailänder et al. erfolgte eine Korrelation zwischen Lebensalter bei Verletzung von 0 bis 85 Lebensjahren und dem klinischen Ergebnis.

Ergebnisse:

Bei 52 der 56 Nervenkoaptationen (93%) fand sich mit einer 2PD<6 mm eine normale Sensibilität; viermal betrug die 2PD 6 mm. Nach Nerventransplantation wurde eine statische 2PD von 6 bis 7 mm gemessen. Störende Parästhesien, Kälte- oder Überempfindlichkeiten wurden von keinem Patienten angegeben. Die 2PD an den Fingern der unverletzten Gegenseite wiesen interindividuell große Unterschiede auf. Patientenalter und 2PD korrelierten signifikant mit deutlich schlechteren Ergebnissen bereits im zweiten Lebensjahrzehnt.

Schlussfolgerung:

Kinder haben im Vergleich zu Erwachsenen eine außerordentlich gute Prognose nach Nervenrekonstruk­tion. Die hohen interindividuellen Unterschiede der Sensibilität an nicht betroffenen Finger legen nahe, die Messergebnisse von verletzter zu unverletzter Seite in Relation zu stellen. Hierzu bietet sich z. B. die Differenz der statischen Zweipunktediskrimination (Δs2PD) zwischen dem verletzten Finger und dem unverletzten der Gegenseite an.

Abstract

Background:

The regenerative capacity after nerve reconstruction in children is believed to be superior compared to that in adults. However, the available data on this topic are limited. The aim of this work is to improve the age-dependent assessment of the prognosis after surgical treatment of peripheral nerve injuries of the hand.

Patients and Methods:

44 of 147 children with complete transections of proper and common digital nerves who were treated from 2000 to 2009 and who were currently 6 years or older, could be included for follow-up (mean time, 7.5 years). In total there were 60 nerve injuries, of which 56 were directly coaptated, 4 needed grafting. Sensitivity of the fingertips was assessed using the 2-point discrimination (2PD) test and the Semmes-Weinstein monofilament test. We also recorded hypersensitivity, sensitivity to cold, and paresthesia. To account for inter-individual differences in normal 2PD, the difference of the 2PD to the uninjured contralateral side was calculated as delta-2PD. The age at the time of the injury, divided into groups of 0–5, 6–10 and 11–15 years was correlated with the clinical outcome (2PD, monofilamenttest). Taking into account the results classified by age presented by Lohmeyer et al. and Mailänder et al., we assessed the correlation between age at injury (0–85 years) and clinical outcome.

Results:

After 52 of the 56 direct nerve coaptations (93%) normal sensitivity was found with a 2PD<6 mm, 4 times the 2PD was 6 mm. Following nerve grafting a static 2PD of 6–7 mm was measured. Disturbing paresthesia, sensitivity to cold or hypersensitivity were not reported by any patient. The 2PD of the fingers of the opposite uninjured side showed great inter-individual differences. Patient's age and 2PD significantly correlated with significantly poorer results already in the second decade of life.

Conclusion:

In relation to adults, children have an excellent prognosis after nerve reconstruction. The high inter-individual differences in regular sensitivity, depending on age, co-morbi­dities, etc., suggest putting the results of the injured and uninjured sides into relation. Estimation of the Δs2PD may solve this ­problem.