Gesundheitswesen 2013; 75 - A286
DOI: 10.1055/s-0033-1354228

Versorgungsforschung im Bereich Darmkrebs: Analyse der Behandlungsströme von Patienten mit kolorektalen Lebermetastasen

M McCool 1, C Apfelbacher 1, J Loss 1, M Hartmann 2, M Klinkhammer-Schalke 3, M Gerken 3
  • 1Medizinische Soziologie, Universität Regensburg, Regensburg
  • 2Lehr- und Forschungseinheit Allgemeinmedizin, Universität Regensburg, Regensburg
  • 3Tumorzentrum Regensburg e.V. Regensburg

Hintergrund: Das kolorektale Karzinom ist mit ca. 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr eine der häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland. Etwa 30% aller Patienten mit Darmkrebs haben zum Zeitpunkt der Diagnose Metastasen in anderen Organen. Am häufigsten findet man sie in der Leber (kolorektale Lebermetastaten, CLM). Die S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom sieht vor, dass bei vorhandener Lebermetastasierung die Beurteilung der Resektabilität an primärer Stelle steht. Vollständige operative Entfernung der Metastasen bedeutet ein signifikant längeres und besseres Überleben. Die therapeutische Strategie sollte dabei interdisziplinär, z.B. im Rahmen einer Tumorkonferenz, festgelegt werden. Vielerorts entsteht der Eindruck, dass Patienten mit potenziell resektablen Befunden zu spät oder gar nicht einer entsprechenden interdisziplinären bzw. chirurgischen Beurteilung zugeführt bzw. inadäquat vorbehandelt werden. Ziel dieser Studie ist daher, die tatsächlichen sequentiellen, sektorenübergreifenden Versorgungsabläufe von Patienten mit CLM zu analysieren. Methode: In einer deskriptiven Analyse werden die Behandlungsströme von Patienten rekonstruiert, bei denen 2010 – 2011 ein Kolorektalkarzinom diagnostiziert wurde und bei denen zudem zeitgleich (synchron) oder im Verlauf nach der Behandlung des Primärherdes (metachron) Lebermetastasen auftraten (n = 383). Grundlage sind bevölkerungsbezogene, klinische Daten der im Tumorzentrum Regensburg verlaufsbegleitend dokumentierten Tumorerkrankungen der Oberpfalz und Niederbayern, sowie ärztliche Befundberichte und Entlassungsbriefe. Die Nachzeichnung des Versorgungsablaufs geschieht durch zwei unabhängige Bewerter anhand eines vorab festgelegten Indikatorensatzes, der u.a. enthält: Zeitpunkt und Standort des ersten Verdachts auf CLM, Diagnosedatum, Zeitpunkt der Vorstellung eines Tumorboards, Behandlungsempfehlung und Art und Zeitpunkt der Behandlung. Die Daten werden über Microsoft Access erfasst und mit SPSS ausgewertet. Ergebnisse: Bislang liegen erste Ergebnisse von 45 Patienten vor (m:33, f:12). Der Verdacht auf Lebermetastasen ergab sich bei den synchronen Fällen v.a. durch das Staging (11/30), bei metachronen Fällen v.a. im Rahmen der Krebsnachsorge (9/15), aber auch als sonografischer Zufallsbefund (3/15). Laut Dokumentation wurden 91% (41/45) der Patienten nach Diagnose von CLM einem interdisziplinären Tumorboard vorgestellt allerdings haben vier Patienten (9%) eine Chemotherapie erhalten ohne einem Tumorboard vorgestellt zu werden. Darüberhinaus betrug die durchschnittliche Zeitspanne von Verdacht auf CLM bis zur Vorstellung vor einem Tumorboard im Median 21,0 Tage [R: 0 – 55 Tage]. Bei 22/45 Patienten wurde eine Leberresektion durchgeführt (48,8%). Diskussion/Ausblick: Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Versorgung der dokumentierten Fälle von CLM weitestgehend S3-Leitlinienkonform zu erfolgen scheint, wobei 9% eine Behandlung erhielten, die anscheinend abweichend von der Leitlinie nicht interdisziplinär entschieden wurde. Die Auswertung der gesamten Stichprobe wird im Sommer d.J. vorliegen und genauere Aussagen zu den Versorgungsabläufen, auch mit regionalem Bezug, ermöglichen.