Gesundheitswesen 2013; 75 - A267
DOI: 10.1055/s-0033-1354213

Gesundheitsförderung in kleinen Betrieben: (k)ein Widerspruch – Ergebnisse zum Gastgewerbe aus dem INDIGHO-Projekt

F Alaze 1, A Goedicke 1, E Beerheide 1, K Seiler 1
  • 1Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf

Hintergrund: Kleinbetriebe gelten nach wie vor als schwieriges Terrain für die Förderung der Gesundheit, obwohl die gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Investitionen in die Gesundheit sind für immer mehr Unternehmen ein erfolgsversprechender Baustein zur Sicherung von Fachkräften im Kontext des demografischen Wandels, für den Erhalt der Innovationsfähigkeit der Beschäftigten sowie ihrer Leistungsfähigkeit und -bereitschaft unter anspruchsvollen Arbeits- und Wettbewerbsbedingungen (Badura et al. 2008, Lück et al. 2009). Während insbesondere größere Unternehmen zunehmend auf betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) setzen, sind organisational verankerte und formal integrierte BGF-Maßnahmen bei kleineren Betrieben nicht so häufig anzutreffen. Dies gilt besonders für das Gastbewerbe: Eine Unterversorgung an BGF ist laut Zahlen des IAB-Panels insbesondere in Kleinbetrieben des Hotel- und Gaststättengewerbes zu beobachten (Hollederer 2007). Auch was die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen im Rahmen des gesetzlichen Arbeitsschutzes angeht, bildet das Gastgewerbe statistisch gesehen das Schlusslicht (DGB-Index Gute Arbeit GmbH 2013). Andererseits bestehen gerade auch in Kleinbetrieben Rahmenbedingungen, die die Gesundheit der Beschäftigten besonders unterstützen (Meggeneder 2005, Beck 2011). Zu hinterfragen ist daher, ob das Thema Gesundheit wirklich eine untergeordnete Rolle im Gastgewerbe spielt oder inwiefern Statistiken die gesundheitsförderlichen Praktiken in der kleinbetrieblich geprägten Branche nur eingeschränkt erfassen. Methodik: Das Ziel der Untersuchung war es, Erkenntnisse über die Gesundheitskultur und gesundheitsfördernde Aktivitäten in Kleinbetrieben des Gastgewerbes zu erhalten. Hierzu wurden im Rahmen des BMBF-Projekts 'Innovation und Demografischer Wandel im Gaststätten- und Hotelgewerbe‘ (INDIGHO) Führungskräfte mittels leitfadengestützter Interviews zu den Themen Gesundheit im Unternehmen, gesundheitsbezogenes Selbstmanagement und Mitarbeiterführung befragt. Die Interviews wurden inhaltsanalytisch in Bezug auf Gestaltungschancen und -hemmnisse für eine gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung ausgewertet. Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass formalisierte Maßnahmen der Gesundheitsförderung in den Kleinbetrieben des Gastgewerbes tatsächlich wenig verbreitet sind. Ihre Einführung wird durch kleinbetriebstypische Restriktionen und Besonderheiten der Personalsituation (hohe Fluktuation, Verbreitung von Aushilfs- und Saisonarbeit) erschwert. Insbesondere bei Betriebsgründungen und -übernahmen treten Fragen der Gesundheitsförderung gegenüber betriebswirtschaftlichen und juristischen Problemen in den Hintergrund. Andererseits lässt sich eine Praxis der Personalarbeit beobachten, die sowohl vom Wissen um das Erfordernis einer gesunden Belegschaft als auch von einer hohen Wertschätzung der Kooperationsbereitschaft und des Engagements der Beschäftigten bestimmt ist. Gerade weil es in kleinen Unternehmen für Krankheitsfälle keine 'Personalpuffer‘ gibt, weil Mitarbeiter/innen im direkten Kundenkontakt stehen und weil Geschäftsführer/innen die Arbeitsbedingungen ihrer Angestellten oft auch am eigenen Leib erfahren, ist das Bewusstsein für die Notwendigkeit gesunder Arbeit ausgeprägt. Gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung wird allerdings in der Regel informell und zum Teil spontan praktiziert. Für Beschäftigte ergeben sich daraus Risiken, aber auch Chancen. Gesundheitsfördernde Arbeitsgestaltung wird zudem nicht als separates personalpolitisches Handlungsfeld verstanden, sondern in die Gestaltung von Arbeitsabläufen, Kommunikationsprozessen und Bemühungen zur Verbesserung der Betriebskultur integriert. So heterogen das Gastgewerbe, so vielfältig sind auch die Herangehensweisen hinsichtlich der Gestaltung gesundheitsgerechter Arbeitsbedingungen. Diskussion/Schlussfolgerung: Die betriebliche Situation, die Handlungsorientierungen und Kompetenzen der Geschäftsführer/innen nehmen somit Einfluss auf die gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung in gastgewerblichen Kleinbetrieben (vgl. Goedicke et al. 2013). Für die Entwicklung von Präventionskonzepten und Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung muss die personalpolitische Praxis kleiner Unternehmen angemessen berücksichtigt werden.