Gesundheitswesen 2013; 75 - A240
DOI: 10.1055/s-0033-1354192

Erwartungen der Beschäftigten in therapeutischen Gesundheitsfachberufen und im Hebammenwesen an die zukünftige Ausbildungsgestaltung zur Sicherstellung veränderterGesundheitsversorgungsbedarfe

S Busch 1, J Balke 1, L Herzig 1, KM Käuper 1, J Westenhöfer 1
  • 1Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Hamburg

Hintergrund: Das Gesundheitswesen befindet sich aufgrund von Ökonomisierungstendenzen, demografischer Entwicklung, veränderten Krankheitsspektren, kontinuierlich steigendemevidenzbasierten Wissen, Partizipationsansprüchen der Bevölkerung und medizinisch-technischen Fortschritt im Wandel. Zudem spielen Gesundheitsförderung und Gesunderhalt der Bevölkerung eine immer wichtigere Rolle. Desweiteren wird der primär gesunde Prozess von Schwangerschaft über Geburt bis zum Ende der Stillzeit zunehmend pathologisiert. Dies führt zu weitreichenden Veränderungen der Tätigkeitsbereiche in Physio- und Ergotherapie, Logopädie und Hebammenkunde. Fachkräfte dieser Berufe müssen sich sowohl mit dem wachsenden Wissen ihrer Disziplinen als auch mit komplexer werdenden chronischen Erkrankungen und im Bereich der Hebammen mit steigenden Interventions- und Kaiserschnittraten auseinandersetzen, um zielführend behandeln, betreuen und begleiten zu können. Um den veränderten und neuen Anforderungsprofilen an die Tätigkeiten in Gesundheitsfachberufen adäquat zu begegnen empfiehlt der Wissenschaftsrat (2012: 8) „die mit besonders komplexen und verantwortungsvollen Aufgaben betrauten Angehörigen der Gesundheitsfachberufe zukünftig bevorzugt an Hochschulen auszubilden“ und benennt dabei ausdrücklich die Berufsgruppen Physio- und Ergotherapie, Logopädie und Hebammenkunde. Um diese gewünschte Akademisierung auch bereits examinierten Fachkräften zugänglich machen zu können, entwickelt das Competence Center Gesundheit (CCG) der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg) einen berufsbegleitenden interdisziplinären Bachelorstudiengang für diese Berufsgruppen. Methode: Ziel ist die konzeptionelle Entwicklung eines interdisziplinären Studienangebotes, dass sich an den Bedarfen und Bedürfnissen des Arbeitsmarktes sowie der potentiellen Studierenden ausrichtet. Im ersten Schritt erfolgte eine umfassende Bestanderhebung und Analyse der Ausbildungslandschaft der vier Berufe in Deutschland. Im Anschluss daran wird unter Anwendung der Delphi-Methode eine empirische Ermittlung von Expertinnen- und Expertenmeinungen dieser vier Berufsgruppen (n = 48) zu aktuellen und zukünftigen Herausforderungen in der Gesundheitsversorgung sowie zu den Kompetenzbedarfen nach Studienabschluss durchgeführt. Anhand von drei schriftlichen Befragungswellen werden sie online um ihre Einschätzung gebeten. In der ersten Befragungswelle wird ein qualitativer Fragebogen eingesetzt, der inhaltsanalytisch ausgewertet als Basis für die zweite Befragungswelle mittels quantitativem Fragebogen dient. In der zweiten Befragung gewichtet dasselbe Expertenpanel die zusammengefassten, aber noch eher unstrukturierten möglichen Inhalte, Themenschwerpunkte und Kompetenzbedarfe des interdisziplinären Studiengangs. Aufgrundlage dieser Ergebnisse wird ein abschließender quantitativer Fragebogen entwickelt, der den Gruppenkonsens über konkrete Studieninhalte und den Modulaufbau eruiert. Ergebnis: Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass eine Akademisierung der vier Berufsgruppen mit erweitertem Kompetenzerwerb von fast allen Befragten als sinnvoll und notwendig angesehen wird, u.a. um wissenschaftliche Erkenntnisse in der praktischen Arbeit anwenden und evidenzbasiert tätig sein zu können. Darüber hinaus wären eine Erweiterung der bisherigen Aufgabengebiete und die Übernahme neuer Aufgabenbereiche wie beispielsweise in der Gesundheitsförderung und Prävention, der Versorgung psychisch Erkrankter und der Geriatrie denkbar. Als besonders relevant heben viele Befragte eineinterdisziplinäre Zusammenarbeit und ein klientenzentriertes Schnittstellenmanagement auch in der ambulanten Versorgung hervor, die ebenfalls angrenzende Berufe im Sozialbereich einschließt. Als weitere Inhalte werden u.a. Leitungs-, Kommunikations- und Beratungskompetenzen sowie die Entwicklung von Betreuungskonzepten als wichtig erachtet. Diskussion: Diese vier Berufsgruppen gemeinsam akademisch weiterzubilden um ihnen erweiterte Kompetenzen zu vermitteln könnte einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den veränderten Krankheitsspektren und dem demografischen Wandel vorausschauend zu begegnen. Ihre Beteiligung an der Entwicklung neuer interdisziplinärer Versorgungskonzepte im ambulanten Bereich scheint vielversprechend zu sein, um eine bedarfsgerechte, klientenzentrierte und ressourcenschonende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung auch unter zukünftigen Herausforderungen sicherzustellen