Gesundheitswesen 2013; 75 - A228
DOI: 10.1055/s-0033-1354180

Welche Faktoren bestimmen die Einschreibung in ein Bonusprogramm der Krankenkassen? Ergebnisse der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell 2009“ (GEDA 2009)

S Jordan 1, E von der Lippe 1, A Starker 1
  • 1Robert Koch-Institut, Berlin

Hintergrund: Im Gesundheitswesen werden zunehmend Anreizsysteme zur Steuerung des Verhaltens von Versicherten eingesetzt. Positive finanzielle Anreize sollen das Individuum für ein Verhalten direkt belohnen, das sich langfristig positiv auf die Gesundheit auswirkt. Die gesetzlichen Krankenkassen können gemäß §65a (1) Fünftes Sozialgesetzbuch ihren Versicherten für die regelmäßige Inanspruchnahme von qualitätsgesicherten Leistungen zur primären Prävention oder Früherkennung einen Bonus vergeben. Diesen erhalten die Versicherten bei Erfüllung einer vorab festgelegten Anzahl präventiver Aktivitäten in Form einer Geld-, geldwerten oder Sachprämie. Vor diesem Hintergrund soll hier der Frage nachgegangen werden, welche Faktoren kassenartübergreifend eine Bonusprogrammteilnahme beeinflussen. Daten und Methodik: Die Studie basiert auf Daten der repräsentativen Gesundheitsbefragung GEDA 2009 des Robert Koch-Instituts, bei der 21.262 computergestützte Telefon-Interviews von Juli 2008 bis Juni 2009 in der deutschsprachigen Bevölkerung ab 18 Jahren im gesamten Bundesgebiet durchgeführt wurden. Für die vorliegende Analyse wurden 11.849 gesetzlich krankenversicherte Personen ab 35 Jahren einbezogen, welche die Frage beantworteten, ob sie an einem Bonusprogramm ihrer Krankenkasse teilnehmen. Die Altersbegrenzung wurde gewählt, da ab diesem Alter die Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten (Check-up) angeboten wird. Der Untersuchung liegt das „Behavioural Model of Health Service Use“ von Andersen zugrunde. Diesem entsprechend wurden folgende Einflussfaktoren in die Analyse aufgenommen: (1.) prädisponierende Faktoren mit indirektem Einfluss: z.B. Geschlecht, Alter, Bildungsstand, Gesundheitseinstellungen (2.) Voraussetzung schaffende, ermöglichende Faktoren: Haushaltseinkommen, Inanspruchnahme verhaltenspräventiver Maßnahmen oder des Check-up (3.) Bedarfsfaktoren, aus denen sich ein erhöhter Bedarf für die Inanspruchnahme präventiver Maßnahmen ableiten lässt: z.B. Gesundheitszustand, Körpergewicht, Rauchverhalten. Binär logistische Regressionsanalysen wurden mit SPSS-20 durchgeführt. Ergebnisse: 20,2% der Studienpopulation waren in einem Bonusprogramm eingeschrieben (95%-KI = 19,3 – 21,2). Folgende prädisponierenden Faktoren zeigen sich im multivariaten Modell als bedeutsam für die Teilnahme an einem Bonusprogramm: die Gesundheitseinstellung „sehr stark oder stark auf die Gesundheit zu achten“ (OR = 2,03 95%-KI = 1,32 – 3,10) sowie eine starke soziale Unterstützung (OR = 1,73 95%-KI = 1,37 – 2,20). Von den ermöglichenden Faktoren erwies sich ein mittleres Haushaltseinkommen als einflussreich (OR = 1,34 95%-KI = 1,11 – 1,60). Stärker war der Einfluss der Inanspruchnahme verschiedener präventiver Maßnahmen, besonders die Teilnahme an verhaltenspräventiven Maßnahmen (OR = 2,37 95%-KI = 2,04 – 2,75). Hinsichtlich der Bedarfsfaktoren fällt auf, dass Adipositas die Chance verringert, an einem Bonusprogramm teilzunehmen (OR = 0,71 95%-KI = 0,56 – 0,89) und Nichtrauchen die Chance für eine Teilnahme erhöht (OR = 1,21 95%-KI = 1,01 – 1,45). Diskussion/Schlussfolgerung: Die Ergebnisse zeigen, dass unterschiedliche prädisponierende, ermöglichende und Bedarfsfaktoren Einfluss auf eine Bonusprogrammteilnahme haben: Ein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstseins erhöhte die Chance für eine Bonusprogrammteilnahme am stärksten. Ebenso begünstigt gesundheitsförderliches Gesundheitsverhaltens wie Nichtrauchen eine Teilnahme. Zugleich werden Personen mit besonderem Bedarf wie Adipöse eher weniger erreicht. Der Befund, dass die Inanspruchnahme präventiver Leistungen einen weiteren wichtigen Einflussfaktor darstellt, legt den Schluss nahe, dass vor allem Versicherte erreicht werden, die die Präventionsmaßnahmen ohnehin in Anspruch genommen hätten (Mitnahmeeffekte). Im Hinblick auf die Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit sollten Bonusprogramme auch so gestaltet werden, dass sie Bevölkerungsgruppen motivieren, die bislang ein eher gering ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein und -verhalten aufweisen.