Gesundheitswesen 2013; 75 - A212
DOI: 10.1055/s-0033-1354166

WAGE – Wege aus der Beziehungsgewalt – Welche Unterstützung brauchen Frauen, die Partnergewalt erleben

F Doherr 1, V Amontow 1, D Hahn 1, L Herzig 2
  • 1Hochschule Fulda, Fulda
  • 2Hochschule für Angewandte Wissenschaft Hamburg, Hamburg

Hintergrund: Partnergewalt gegen Frauen ist national und international ein bedeutendes Problem für die Gesundheit und das soziale Leben der betroffenen Frauen (vgl. Hornberg et al. 2008: 8 ff). In Deutschland haben Frauen die Möglichkeit, im Falle von Beziehungsgewalt Frauenberatungsstellen, Frauenhäuser oder das Gewaltschutzgesetz in Anspruch zu nehmen. Bis zur Inanspruchnahme von Hilfe dauert es oft Jahre, die von wiederholten Verletzungen, Ängsten und Anpassungsprozessen geprägt sind (Müller, Schröttle 2012: 31). Ziel des Projektes war zu untersuchen, welche (institutionellen) Unterstützungsangebote Frauen benötigen, um nach der Trennung nicht mehr zu ihren gewalttätigen Partnern zurückzukehren und welcher Unterstützungsbedarf für Frauen (und Männer) bezogen auf unterschiedliche Typen von Gewaltbeziehungen besteht. Im Vortrag werden Bedarf und Möglichkeiten dargestellt, die psychosoziale Versorgung bzw. Unterstützung betroffener Frauen zu verbessern. Methode: Im Rahmen des Projekts wurden Leitfadeninterviews mit Frauen und Männern durchgeführt, die Erfahrung mit Beziehungsgewalt haben. Außerdem wurden Interviews mit Expert/innen aus dem psychosozialen Versorgungsbereich geführt. Die Auswertung erfolgte nach der Methode der Grounded Theory. Ergebnisse: Von Partnergewalt betroffene Frauen durchlaufen häufig einen Prozess aus Anpassung an zunehmende Demütigungen, wachsende soziale und wirtschaftliche Kontrolle sowie körperliche Gewalt einerseits und Bemühungen, das Gewaltverhältnis zu beenden andererseits. Ihre Suche nach Unterstützung hängt oft davon ab, wie sehr das Erlebte aus Scham und Angst vor Stigmatisierung durch Nachbarn und Familie verdrängt und verheimlicht wird. Opfern von psychischer Gewalt, sozialer oder finanzieller Kontrolle fällt es zudem schwer, das Erlebte als Gewalt zu identifizieren. Die Analyse der Interviews mit gewaltbetroffenen Frauen ergab unterschiedlichen Unterstützungsbedarf. Manche Frauen benötigen eher rechtliche Beratung, andere Hilfe bei Anträgen und Behördengängen, andere wiederum Beratung, wie sie bei einer nächsten Gewalteskalation reagieren können. Interventions- und Hilfsangebote können oft nur in einem begrenzten Zeitfenster nach einer erneuten Eskalation oder einem Schlüsselerlebnis erfolgreich greifen, bevor die Verdrängungsmechanismen wieder einsetzen. Trennungsauslösend können das Eingreifen durch Außenstehende wie Polizei, Nachbarn, Bekannte, Familie oder die wahrgenommene bzw. zunehmende Gefährdung der Kinder sein. Im Verlauf der Gewaltbeziehung kamen viele der interviewten Frauen mit Akteuren verschiedenster Berufsgruppen in Kontakt (Polizei, Erziehungs-/Ehe-/Familienberatung, Jugendamt, Banken u.a.). Im Rahmen dieser Kontakte bestand meist die Gelegenheit, die Problematik sensibel anzusprechen oder/und die Frau weiterzuvermitteln, was meist nicht erfolgte. Viele der Befragten wussten nichts von der Existenz der Schutzhäuser und Beratungsstellen. Wenn Frauen auf ein gutes familiäres oder soziales Netzwerk zugreifen konnten, fiel die Trennung meist um ein vielfaches leichter und schützte z.B. vor „Rückfällen“ aus Angst vor Einsamkeit. Schlussfolgerungen: Eine wichtige Ressource für gewaltbetroffene Frauen sind Freunde und Familie, welche ihnen Unterstützung und Akzeptanz vermitteln, damit sie den Mut für eine Trennung und die Inanspruchnahme von Hilfe schöpfen. Weiterhin ist wichtig, einer Stigmatisierung z.B. durch Vorurteile und Rollenmuster verstärkt entgegenzuwirken. Die bereits in vielen Regionen begonnene Vernetzung von Ämtern, Behörden, Polizei und Berufsgruppen aus dem allgemeinen Beratungs- und Therapiesektor mit den Frauenberatungsstellen sollte ausgebaut werden, um die Betroffenen gut koordiniert unterstützen zu können. Finanzierung, Öffentlichkeitsarbeit und Imagepflege von Hilfs- und Beratungsangeboten müssen gefördert werden. Es bedarf der Schulung angrenzender Berufsgruppen bzgl. der Identifikation von und dem angemessenen Umgang mit Opfern von häuslicher Gewalt.