Gesundheitswesen 2013; 75 - A202
DOI: 10.1055/s-0033-1354158

Der Einfluss tätigkeitsspezifischer Belastungen und Ressourcen auf das Burnout-Risiko in der stationären Langzeitversorgung

M Brause 1, T Kleina 2
  • 1Fachhochschule Bielefeld, Bielefeld
  • 2Universität Bielefeld, Bielefeld

Hintergrund: Aufgrund des demografischen Wandels ist es für Einrichtungen der stationären Langzeitversorgung von besonderer Bedeutung, Fachkräfte an sich zu binden. Denn der Fachkräftemangel ist schon heute zu beobachten und die Anzahl Pflegebedürftiger wird allen Prognosen nach ansteigen. Die Arbeitsbedingungen in der stationären Langzeitversorgung sind jedoch weder attraktiv noch gesundheitsförderlich. Pflegekräfte in der stationären Langzeitversorgung gelten sowohl mit Blick auf psychische/psychosomatische Erkrankungen als auch mit Blick auf Burnout als besonders vulnerabel, nicht zuletzt aufgrund der hohen tätigkeitsspezifischen psychischen Belastungen. Burnout gehört laut ICD 10 (F00 bis F99) nicht zu den psychischen und Verhaltensstörungen, sondern wird hier als „Problem mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ (Code Z 73) definiert. Trotzdem ist Burnout in der Diskussion um Arbeitsbelastungen „zur Metapher für psychische Leiden geworden“(DAK/IGES, 2013, S. 29). Vor diesem Hintergrund werden Ergebnisse aus der Studie „Qualität und Gesundheit in der stationären Altenhilfe“ vorgestellt. Im Fokus steht das Burnout-Risiko von MitarbeiterInnen und welchen Einfluss tätigkeitsspezifische Belastungen und Ressourcen auf dieses Risiko haben. Denn nur wenn wir die komplexen Zusammenhänge und Wechselwirkungen im Setting der stationären Langzeitversorgung verstehen, können langfristig passgenaue präventive Konzepte entwickelt werden. Methodik: In acht Einrichtungen der stationären Langzeitversorgung wurden alle in der pflegerischen Versorgung tätigen MitarbeiterInnen mittels einer standardisierten, schriftlichen Erhebung zu ihrer Arbeits- und Gesundheitssituation befragt. Für den Fragebogen wurde weitestgehend auf validierte Instrumente und Skalen zurückgegriffen. Die Teilnahme war freiwillig und die Rückspiegelung der Ergebnisse erfolgte vollständig anonymisiert anhand aggregierter Daten. Zur Auswertung wurden deskriptive Verfahren verwendet sowie Korrelations- und Strukturgleichungsanalysen durchgeführt. Ergebnisse: Der Rücklauf lag insgesamt bei 54% (n = 297), schwankte jedoch einrichtungsabhängig zwischen 34% und 79%. 37% der befragten MitarbeiterInnen haben ein erhöhtes Burnout-Risiko. Es sind vor allem „Müdigkeit“ und „körperliche Erschöpfung“, die zu erhöhten Skalenwerten führen. Jedoch fühlt sich auch jede fünfte Mitarbeiterin oft „emotional erschöpft“. Fast die Hälfte der Mitarbeiterinnen (47,4%) steht (sehr) oft unter Zeitdruck. Qualitative Arbeitsbelastungen sind dagegen eher selten. Rund 38,8% der Befragten stimmen (voll) zu, dass sie wegen beruflicher Verpflichtungen, ihre familiären oder privaten Pläne ändern müssen. Jedoch scheinen die Zustimmungsraten zu Aspekten, die auf einen Konflikt zwischen Arbeits- und Familienleben hinweisen auf den ersten Blick gering. Das Netzwerkkapital ist insgesamt groß. Bei keinem der durchwegs positiv formulierten Items stimmen mehr als ein Viertel der Befragten nicht zu. Das Führungskapital wird im Mittel sogar noch größer eingeschätzt. Die quantitativen und qualitativen Arbeitsbelastungen und der Arbeit-Familie-Konflikt nehmen – laut des überprüften Modells – direkten Einfluss auf das Burnout-Risiko. Netzwerk- und Führungskapital dagegen nicht. Allerdings hängt das Ausmaß der Belastungen stark mit der Ausprägung des Führungskapitals zusammen. Schlussfolgerungen: Belastungen, wie der für die stationäre Langzeitversorgung charakteristische Zeitdruck oder der Konflikt zwischen Arbeit und Familie nehmen maßgeblich Einfluss auf das Burnout-Risiko. Jedoch gelingt es einigen Führungskräften anscheinend besser als anderen ihr „Kapital“ zu nutzen und ein eher salutogenes Arbeitsumfeld zu schaffen. Zukünftig sollte das Verhalten von Führungskräften in der stationären Langzeitversorgung in empirischen Untersuchungen verstärkt in den Blick genommen werden, um langfristig Konzepte zu entwickeln, die Führungskräfte darin unterstützen, ihre Aufgaben belastungssenkend, gesundheitsförderlich und familienfreundlich wahrnehmen zu können.