Gesundheitswesen 2013; 75 - A183
DOI: 10.1055/s-0033-1354144

Die Rolle des freiwilligen Engagements in der Pflege nach SGB XI

S Salge 1, I Heberlein 1, W Hofmann 1
  • 1Hochschule Fulda, Fulda

Hintergrund: Freiwilliges Engagement ist seit jeher ein wichtiger Bestandteil der Pflege und wird auch aktuell in den Rahmenbedingungen des SGB XI gefestigt, als eine Möglichkeit Versorgungsengpässen entgegenzuwirken [1]. Im ersten Engagementbericht des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird dem freiwilligen Engagement in Zeiten demographischer und wirtschaftlicher Herausforderungen eine hohe Bedeutung zugesprochen [2]. Durch die Zunahme der Lebenserwartung wird die Anzahl der Pflegebedürftigen weiter ansteigen, gleichzeitig geht durch veränderte familiäre Strukturen die Anzahl der pflegenden Angehörigen zurück [3]. Fragestellungen: Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit der Frage, welche Anreize und Schwierigkeiten die Beteiligten auf Mikro-, Meso- und Makroebene sehen und unter welchen Umständen alle Beteiligten voneinander profitieren können. Von besonderem Interesse sind die Unterschiede in der Rollenvorstellung aller Beteiligten. Methoden: Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden sieben leitfadengestützte Expert*inneninterviews durchgeführt: mit einer freiwillig Engagierten, einer Pflegekraft und einer Pflegedienstleitung auf der Mikroebene, einer Heimleitung auf der Mesoebene sowie mit Mitarbeiter*innen einer Gewerkschaft, eines Landessozialministeriums und des Bundesministeriums für Gesundheit auf der Makroebene. Alle Interviews auf Mikro- und Mesoebene wurden in stationären Pflegeeinrichtungen geführt. Die Auswertung der Daten erfolgte nach Meuser und Nagel. Ergebnisse: Die vier in die Erhebung eingeschlossenen Pflegeeinrichtungen unterscheiden sich hinsichtlich Lage (zwei Häuser in ländlicher und zwei in städtischer Lage) und Träger (zwei Häuser mit kirchlichem und zwei mit privatem Träger). Der Einsatz der freiwillig Engagierten erfolgt in zwei Häusern überwiegend in der Einzelbetreuung, in den anderen überwiegend in Gruppenangeboten. Die Pflegedienst- und die Heimleitung befürworten Schulungen und Fortbildungen der Freiwilligen, um die Qualität ihrer Dienste zu erhöhen, die Freiwillige und die Pflegekraft sahen in Schulungen eine unnötige Hürde für das Engagement. Hauptanreiz für freiwilliges Engagement in der Pflege war auf allen Ebenen der Nutzen für die Pflegebedürftigen, indem ihnen Zeit geschenkt wird, die Hauptamtliche nicht aufbringen können. Zu Abgrenzungsproblemen zwischen freiwillig Engagierten, Betreuungspersonal nach §87 b SGB XI und professionellen Pflegekräften kommt es aufgrund der klaren Aufgabenverteilung in keinem der Häuser. Die Interviewten auf Makroebene sehen jedoch Abgrenzungsprobleme (hinsichtlich Aufgabengebiet und Aufwandsentschädigung) insbesondere im ambulanten Setting. In allen Einrichtungen sind überwiegend ältere Menschen engagiert und der Wunsch sowie die Notwendigkeit, jüngeren Nachwuchs zu gewinnen, wurden geäußert. Schlussfolgerungen: Die Schulung der freiwillig Engagierten sind ein wichtiger Bestandteil der Rahmenbedingungen des Engagements in der Pflege. Die Interviewten auf Makro- und Mesoebene sehen darin eine Möglichkeit, die Qualität der Freiwilligenpflege sicherzustellen. Die Beteiligten auf Mikroebene sehen Schulungen überwiegend als unnötige Hürde für den Einstieg in das Engagement und die Entwicklung neuer, kreativer Ideen in der Pflege. Besondere Relevanz hat die genaue Abgrenzung der Handlungsfelder von Freiwilligen und Professionellen vor allem im ambulanten Pflegesetting. Im stationären Setting hat sich bereits durchgesetzt, dass Freiwillige keinerlei pflegerische, sondern zusätzliche soziale, kommunikative und mobilisierende Leistungen erbringen. Damit der Bedarf an freiwillig Engagierten auch zukünftig gedeckt werden kann, muss besonders in die Akquise junger Freiwilliger investiert werden. Die Akquise durch Printmedien oder durch Präsenz auf Messen zeigten diesbezüglich wenig Erfolg. Es ist zu prüfen, ob akquirierende Tätigkeiten im Internet und in Freiwilligenagenturen mehr junge Menschen zu einem Engagement in der Pflege führen.