Gesundheitswesen 2013; 75 - A157
DOI: 10.1055/s-0033-1354124

Risiko und Risikokompensation im Lebenslauf. Eine erweiterte ungleichheitssoziologische Perspektive

M Diewald 1, R Schunck 1
  • 1Fakultät für Soziologie, Universität Bielefeld

Mit dem Konzept von Risiko und Risiko-Kompensation wird ein bisher wenig verbreiteter Ansatz vorgestellt, um die Entwicklung sozialer Ungleichheiten im Lebenslauf theoretisch und empirisch zu analysieren. Risiken im Lebensverlauf umfassen sowohl diskrete, einschneidende Ereignisse, wie bspw. den Arbeitsplatzverlust oder Perioden von Arbeitslosigkeit, die Bildung oder Auflösung von Partnerschaften oder die Geburt eines Kindes, als kleinere und konstanter auftretende Ereignisse oder Lebensbedingungen, wie bspw. die Belastungen und Gratifikationen in Beschäftigungsbeziehungen, denen Personen durch die Einbettung in ihre (soziale) Umwelt ausgesetzt sind. Sowohl die Auftrittswahrscheinlichkeit als auch die Inzidenz und Dauer dieser Risiken sowie Möglichkeiten sie zu kompensieren sind sozial strukturiert. Die Auswirkungen dieser Risiken im Lebenslauf werden dabei durch Interaktionen zwischen individuellen Faktoren sowie der (sozialen) Umwelt auf mehreren Ebenen moderiert. Unterschiedliche wohlfahrstaatliche Arrangements, Eigenschaften der individuellen Nahumgebung, individuelle Ausstattungen mit Ressourcen und Kapitalien, psychische und auch genetische Faktoren führen zu heterogenen Auswirkungen der erlebten Risiken. Ein entscheidender Vorteil des Konzepts von Risiko und Risiko-Kompensation ist, einen einheitlichen Rahmen zur Verfügung zu haben, der mit genetischer Variation beginnt, sowohl psychische und somatische Entwicklung als auch Stationen des Lebenslaufs umfasst und bis zur Genese und Kompensation von Risiken durch den Wohlfahrtsstaat reicht. Implikationen für die Gesundheitsforschung werden beispielhaft angedeutet.