Gesundheitswesen 2013; 75 - A142
DOI: 10.1055/s-0033-1354111

Sozial-erwünschtes Antwortverhalten von Grundschülern bei Angaben zur Tabakrauchexposition: Primär- und Sekundärprävention von Tabak- und Alkoholkonsum bei Kindern (PriSeTA-Studie)

U Zier 1, B Roßbach 1, D Spahn 1, E Münster 1
  • 1Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Mainz, Mainz

Einleitung: Um wichtige Handlungsfelder im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention zu identifizieren aber auch um die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen zu bewerten, wird häufig auf Selbstangaben der Befragten zurückgegriffen. Auch bei der Untersuchung von gesundheitsrelevantem Verhalten, Einstellungen und Prävalenzraten bei Kindern und Jugendlichen in der Suchtforschung ist das häufig der Fall. Insbesondere bei Fragestellungen, die gesellschaftlich abweichendes oder gesetzeswidriges Verhalten betreffen, kann sozial erwünschtes Antwortverhalten auftreten, sodass die Ergebnisse nur über eine begrenzte Gültigkeit verfügen. Dies betrifft auch Angaben zum Alkohol- und Tabakkonsum. Ziel der Studie war es, die Qualität Selbstangaben zu Tabakkonsum und Passivrauchbelastung von Grundschülern der 3. und 4. Klassen mithilfe des Biomarkers Cotinin im Speichel zu validieren. Methode: An 49 zufällig ausgewählten Grundschulen (kontaktiert: n = 280) im Regierungsbezirk Darmstadt (Hessen) wurde 2010/11 eine standardisierte schriftliche Querschnittsbefragung durchgeführt. Bei vorliegender Zustimmung wurden bei den teilnehmenden Grundschülern auch Speichelproben genommen. Die Durchführung der Studie wurde durch die Deutsche Krebshilfe gefördert. Datenschutzbeauftragter, Ethikkommission, Kultusministerium, Grundschulen, Erziehungsberechtigte sowie die befragten Kinder bewilligten die Studie bzw. ihre Teilnahme an Befragung und Speichelprobeschriftlich. Das Erhebungsinstrument wurde speziell für die Zielgruppe entwickelt und umfasst 65 geschlossene Fragen zu Risikoverhalten, -einstellungen und -wissen in Bezug auf Alkohol- und Tabakkonsum sowie zum sozialen Kontext. Die Speichelproben wurden unmittelbar nach der Befragung gewonnen und mittels Gaschromatografie/Massenspektrometrie auf Cotinin, ein Abbauprodukt von Nikotin, untersucht. Proben mit einem Volumen von weniger 500µL wurden ausgeschlossen. Die Nachweisgrenze des Verfahrens lag bei 0,3 µg/L. Ergebnisse: Die Selbstangaben von 1806 Schülern der dritten (n = 786) und vierten Klasse (n = 1020) konnten analysiert werden. Mädchen (n = 927) und Jungen (n = 879) waren etwa gleich stark vertreten. Von dem durchschnittlich 9,44 ± 0,73Jährigen gaben 14 Kinder (0,8%) an, aktiv zu rauchen. 33,6% der Kinder gaben an, dass zu Hause in ihrer Anwesenheit geraucht wird. Eine Speichelprobe wurde von 1421 (78,7%) Kindern abgegeben. Von diesen Proben zeigten 12,6% (n = 145) eine Cotininkonzentration über der Nachweisgrenze. Alle Kinder, deren Speichel einen Cotininwert über der Nachweisgrenze aufwies, gaben an, in den letzten 2 Tagen nicht geraucht zu haben und 7,4% (n = 33) der betroffenen Kinder gaben keine Passivrauchbelastung an. Schlussfolgerung: Bei 7,4% der Kinder lag damit eine Diskrepanz zwischen Selbstangaben und objektivierter Tabakexposition vor, die auf sozial erwünschtes Antwortverhalten hindeutet. Bei der Durchführung von Prävalenzstudien wie auch bei Interventionsstudien erscheinen Maßnahmen zur Objektivierung der Angaben daher als unabdingbar.