Gesundheitswesen 2013; 75 - A127
DOI: 10.1055/s-0033-1354101

Soziale Ungleichheiten bei reha-bezogenen Parametern in der stationären Kinderrehabilitation – Erste Ergebnisse der laufenden rekju-Studie

N Schumann 1, EM Fach 1, S Günther 1, M Richter 1
  • 1Martin-Luther-Universität Halle-WittenbergMedizinische FakultätInstitut für Medizinische Soziologie, Halle/Saale

Einleitung/Hintergrund: Trotz steigender Prävalenz chronischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter, sind in den letzten Jahren kontinuierlich sinkende Antragszahlen im Bereich der stationären Kinderrehabilitation zu verzeichnen (DRV Bund, 2012). Eine zentrale Frage ist dabei, ob soziale Ungleichheiten in der stationären Kinderrehabilitation existieren. Belastbare Erkenntnisse über den Einfluss sozialer Ungleichheiten auf reha-bezogene Parameter in der stationären Kinderrehabilitation liegen bislang kaum vor (Friedl-Huber et al. 2003). Ziel des Beitrages ist es, erste Ergebnisse aus der laufenden rekju-Studie vorzustellen und zu analysieren, ob soziale Unterschiede in der Kinderrehabilitation mit reha-bezogenen Parametern assoziiert sind. Daten/Methodik: Die rekju-Studie ist eine Arzt-Eltern-Befragung und untersucht den Einfluss sozialer Ungleichheiten auf die Inanspruchnahme von stationären Rehabilitationsmaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen. In der retrospektiven Teilstudie wurden von Oktober 2012 bis Mai 2013 Eltern (n = 100) chronisch kranker Kinder und Jugendlicher im Alter von 7 – 17 Jahren (M = 12,9 SD = 2,7) befragt. Rekrutiert wurden Eltern, deren Kinder eine durch die DRV Mitteldeutschland oder DRV Bund stationäre Rehabilitationsmaßnahme bewilligt und in einer der drei kooperierenden Rehabilitationseinrichtungen in Mitteldeutschland erhielten. Folgende reha-relevante Parameter wurden in die Analyse eingeschlossen: „Indikation“, „Komorbidität“, „Krankheitsschwere“, „Rehainitiierung“, „Beurteilung der Diagnosestellung“, „Rehazufriedenheit“. Der sozioökonomische Status der Eltern wurde mit dem Winkler-Index berechnet (Winkler & Stolzenberg, 1999). Um die Assoziation zwischen soziökonomischen Status und den ausgewählten Parametern zu untersuchen, wurden Kreuztabellen sowie lineare und logistische Regressionsmodelle unter Kontrolle von Alter, Geschlecht und Indikation berechnet. Vorläufige Ergebnisse: Kinder mit einem hohen sozioökonomischen Status weisen häufiger eine Erkrankung der Wirbelsäule auf, seltener dagegen Adipositas oder Verhaltensstörungen. Eine Komorbidität weist knapp die Hälfte der Kinder der oberen Statusgruppen auf (47%), während bei den mittleren und unteren Statusgruppen weniger Kinder davon betroffen sind (30% bzw. 28%). In Bezug auf die Krankheitsschwere zeigten sich in den Analysen keine signifikanten Unterschiede zwischen den sozialen Statusgruppen. Keine sozioökonomischen Unterschiede zeigen sich zudem bei der Zufriedenheit mit der Diagnosestellung durch den behandelnden ambulanten Arzt sowie der Rehazufriedenheit. Bei der Initiierung der Rehabilitationsmaßnahme gaben Eltern mit einem hohen sozialen Status häufiger an, die Reha mit initiiert zu haben (75%), als Eltern mit einem mittleren oder niedrigen sozialen Status (68%, 55,2%). Diskussion/Schlussfolgerung: Eine sinkende Inanspruchnahme stationärer Rehabilitationsmaßnahmen bei Heranwachsenden ist vor dem Hintergrund steigender Prävalenzen bei chronischen Erkrankungen als kritisch zu bewerten. Unsere Ergebnisse lassen vermuten, dass soziale Unterschiede nicht zum Tragen kommen, wenn die Kinder und Jugendlichen den Sprung in die Reha erst einmal geschafft haben. Offen ist, inwieweit soziale Ungleichheiten im Zugang bzw. der Nicht-Inanspruchnahme von Rehabilitationsleistungen wirken und dabei auch Einfluss auf das Antragsverfahrens nehmen. Dies wird in der derzeit laufenden prospektiven rekju-Teilstudie analysiert, die erstmalig belastbare Erkenntnisse über soziale Einflussfaktoren auf die Inanspruchnahme von Rehabilitationsmaßnahmen erbringen wird.