Gesundheitswesen 2013; 75 - A87
DOI: 10.1055/s-0033-1354068

„Also mir geht's gut, weil ich Ehrenamt mache.“ Der Einfluss von freiwilligem Engagement auf Gesundheit und Wohlbefinden aus Perspektive älterer freiwillig engagierter Menschen

A Leipold 1, J Klein 2, N Kravchenko 2, L Luft 2, I Heberlein 2
  • 1Hochschule Fulda – University of Applied Sciences, Fulda
  • 2Hochschule Fulda, Fulda

Einleitung und Hintergrund: Im Zuge des demographischen Wandels wird im politischen Diskurs die Förderung von freiwilligem Engagement im Sinne einer gemeinwohlorientierten, unentgeltlichen Tätigkeit auch in der Zielgruppe der älteren Menschen verstärkt thematisiert (BMFSFJ 2010: V). Empirische Daten zeigen, dass sich ältere Menschen in Deutschland zunehmend engagieren (Gensicke u. Geiss 2010). Neben der gesellschaftlichen Bedeutung des freiwilligen Engagements verweisen Studien auch für ältere Menschen auf einen individuellen Nutzen durch die Förderung ihrer physischen, psychischen und sozialen Gesundheit (Barron et al. 2009, Hong u. Morrow-Howell 2012, Kim u. Pai 2010, Piliavin u. Siegl 2007). Daten und Methodik: Wie erleben ältere Menschen aus subjektiver Sicht den Einfluss eines freiwilligen Engagements auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden? Mit dieser Frage befasste sich das Studienprojekt GEniAL (Gesundheit bei freiwilligem Engagement im Alter) des Masterstudiengangs Public Health an der Hochschule Fulda. Mithilfe qualitativer semi-strukturierter Interviews wurden Daten von vier freiwillig engagierten Menschen im Alter zwischen 61 und 69 Jahren erhoben. In das Sample eingeschlossen waren drei in sozialen Feldern tätige Frauen sowie ein Mann, der sich in einem EDV-Projekt engagierte. Das Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring 2010) in Form einer zusammenfassenden induktiven Kategorienbildung wurde eingesetzt, um subjektive Erfahrungen und Einstellungen der älteren Engagierten zu rekonstruieren. Ergebnisse: Gemeinsame Charakteristika der vier älteren Menschen waren, dass sie eine mehrjährige Engagementerfahrung aufwiesen, sich in mehreren Bereichen engagierten und mit Eintritt in den Ruhestand ihr freiwilliges Engagement ausweiteten. Neben sozialen Motiven führten sie der Wunsch nach persönlicher Weiterentwicklung, das Ziel, ihre freie Zeit sinnvoll zu gestalten sowie individuelle Interessen in ihr Engagement. Sie nahmen vielfältige positive Einflüsse des Engagements auf ihr psychisches und soziales Wohlbefinden wahr. Ein Bezug zu ihrer subjektiven Gesundheit wurde von ihnen eher unbestimmt und in geringerem Maße hergestellt. Nach Ansicht der Interviewpartner*innen können engagementbezogene Anforderungen das Wohlbefinden älterer Engagierter auch negativ beeinflussen. Um eine Balance zwischen fördernden und belastenden Faktoren herzustellen, scheinen individuelle Ressourcen wie auch unterstützende Strukturen der Engagementorganisationen Einfluss zu nehmen. Eine hohe Bedeutung hat für die älteren Engagierten, trotz vielfältiger freiwilliger Aktivitäten autonom und selbstbestimmt ihr Leben gestalten zu können und sich im Engagement nicht berufsähnlichen Verpflichtungen auszusetzen. Diskussion und Schlussfolgerungen: Freiwilliges Engagement kann aus subjektiver Perspektive der älteren Engagierten einen positiven Einfluss auf ihr Wohlbefinden haben. Eine wesentliche Voraussetzung für die Freude an der Tätigkeit und damit für die Aufrechterhaltung des Engagements scheint die Passung zwischen Engagementfeld und Engagierten darzustellen. Ermöglicht werden kann dies durch eine Kongruenz von persönlichen Faktoren wie Interessen, Erwartungen an das freiwillige Engagement oder individuelle Kompetenzen sowie engagementbezogenen Faktoren wie Aufgabenfelder und deren Anforderungen. Daraus kann einerseits gefolgert werden, dass Trägerorganisationen durch eine gezielte Gestaltung von Rahmenbedingungen aktiv zum Wohlbefinden der älteren Engagierten beitragen können. Andererseits wird erkennbar, dass ohne den Beitrag persönlicher Faktoren das Bemühen der Trägerorganisationen alleine nicht ausreichend sein kann, um Wohlbefinden und damit möglicherweise den Verbleib im freiwilligen Engagement sicherzustellen.