Gesundheitswesen 2013; 75 - A84
DOI: 10.1055/s-0033-1354066

Gruppensprechstunden und ihr Einfluss auf das organisationale Verhalten in der Hausarztpraxis

K Mozygemba 1, K Hentschel 1, A Dehlfing 1, B Simon 2, A Gerhardus 3, G Schmiemann 3
  • 1Universität Bremen, Bremen
  • 2Universität Köln, Köln
  • 3Universität Bremen

Entwicklungen wie der demographische Wandel und die Zunahme chronischer Erkrankungen stellen ebenso veränderte Ansprüche an die gesundheitliche Versorgung wie (damit verbundene) sich ändernde Belastungen und (Anspruchs-)Haltungen der Akteure. Versorgungseinrichtungen müssen auf diese Veränderungen reagieren, um eine qualitativ hochwertige Versorgung zu gewährleisten. Das geplante Netzwerk der AG „Versorgungsforschung“ der DGMS will mit dem Themenschwerpunkt „Organizational Behavior“ dazu beitragen auf individueller und organisationaler Ebene Ansätze zu entwickeln, die der veränderten Bedarfs- und Bedürfnisstruktur entsprechen. In diesem Kontext ist auch der vorliegende Beitrag eingebettet, der nach den Einflüssen von Gruppensprechstunden aufVersorgungsstrukturen, Rollenvorstellungen und damit verbundene Verhaltenserwartungen auf der Nutzer- und der Versorgerseite in der Hausarztpraxis fragt. Die Hausarztsprechstunde ist ein Beispiel für institutionalisierte Handlungs- und Kommunikationsprozesse. Hier finden sich Strukturen, Interaktions- und Rollenmuster, die auf die effiziente medizinische Versorgung akut erkrankter Personen zielen. Die Zunahme chronischer Erkrankungen verbunden mit der Verknappung (haus-)ärztlicher Ressourcen führt dazu, dass z.B. chronisch Erkrankte in der regulären Arztkonsultation nicht adäquat versorgt werden können (SVR 2009). Neue Versorgungsansätze, die auch den mit chronischen Erkrankungen verbundenen präventiven und beratenden Anforderungen gerecht werden können, werden in Deutschland bisher kaum erprobt. Beispiele hierfür sind eine stärkere Einbindung der medizinischen Fachangestellten oder auch Alternativen zum üblichen Arztkontakt unter vier Augen wie die Gruppensprechstunde. Im Rahmen einer cluster-randomisierten Studie (DRKS-ID: DRKS00004346) erfolgt der Versuch eine Gruppensprechstunde nach US-amerikanischem Vorbild im deutschen Setting umzusetzen. Das Modell der Cooperative Health Care Clinic (CHCC) (Scott et al. 2004) ist speziell auf die Versorgung chronisch Erkrankter ausgerichtet und verbindet u.a. Patienteninformation, Gruppendiskussion, soziale Unterstützung und Empowerment mit Aspekten der traditionellen Individualsprechstunde. In einer Hausarztpraxis wurde die Gruppensprechstunde, wie in der o.g. Studie geplant, pilotiert und seitdem in den Praxisalltag implementiert. Aktuell werden regelmäßig Gruppensprechstunden für Patienten/-innen mit arterieller Hypertonie und Asthma bronchiale durchgeführt. Um Einflüsse der Gruppensprechstunde auf die Organisation und damit verbundene Rollenbilder und Verhaltenserwartungen zu beschreiben, werden Gruppensprechstunden besucht und angelehnt an die Methode der teilnehmenden Beobachtung explorativ beschrieben. Der Vortrag soll einen tieferen Einblick in das Modell der CHCC und ihrer Anwendung geben. Die Ergebnisse einer systematischen Literaturrecherche zum Thema „Gruppensprechstunde“ werden ebenso präsentiert wie erste dokumentierte Erfahrungen des behandelnden Arztes sowie erste deskriptive Beobachtungen als teilnehmende Beobachter in einer Gruppensprechstunde. Diese ersten Ergebnisse werden auf die Frage hin beleuchtet, wie sie organisationales Verhalten in der Hausarztsprechstunde verändern.