Gesundheitswesen 2013; 75 - A64
DOI: 10.1055/s-0033-1354050

Effekte betrieblichen Gesundheitsmanagements – Evaluation einer Seminarreihe für Mitarbeiter im Schichtdienst

M Köhler 1, T Altenhöner 2, M Philippi 2
  • 1Institut für Technologietransfer an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) des Saarlandes (FITT), Saarbrücken
  • 2FH Bielefeld, Bielefeld

Hintergrund: Beschäftige im Schichtdienst stellen im betrieblichen Gesundheitsmanagement eine wichtige Zielgruppe dar, denn sie sind durch ihre Arbeitsorganisation spezifischen gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt. Viele Schichtarbeiter – und hier vor allem ältere Arbeitnehmer – fühlen sich beispielsweise in ihrer Befindlichkeit, Schlafqualität und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt und die wechselnden Arbeitszeiten wirken sich oft einschränkend auf familiäre und gesellschaftlichen Kontakte aus (Beermann 2008, Beermann 2010, Lischewski et al. 2011). Aufgrund zunehmend älter werdender Belegschaften sind Unternehmen hier besonders gefordert, die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter zu erhalten (Badura, Walter & Hehlmann 2010), indem durch gezielte Maßnahmen die Belastungen der Schichtarbeit reduziert werden. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, inwieweit eine spezifische Seminarreihe für Schichtarbeiter einen Beitrag zu einem verbesserten Umgang mit gesundheitlichen Belastungen durch Schichtarbeit leisten kann. Methodik: Während eines Zeitraums von etwa acht Monaten nahmen Schichtarbeiter eines großen deutschen Industrieunternehmens an drei halbtägigen Seminareinheiten teil und wurden darin geschult, wie sie ihre Gesundheit unter der Belastung der Schichtarbeit möglichst gut erhalten bzw. fördern können. In einem längsschnittlichen Design wurden 68 Teilnehmer vor (T0) und nach der Seminarreihe (T1) befragt. Als soziodemografische Merkmale wurden Geschlecht, Alter und die schulische Bildung erhoben. Der Umgang mit der eigenen Gesundheit wurde mit dem Fragekatalog zur gesundheitlichen Selbstführung des Instruments Health-oriented Leadership (HoL) (Franke & Felfe 2010) in den Bereichen Achtsamkeit gegenüber der eigenen Gesundheit, Stellenwert der eigenen Gesundheit sowie gesundheitsbezogene Selbstwirksamkeit und Verhalten erfasst. Die Schlafqualität wurde über Angaben zur durchschnittlichen Schlafdauer, der Häufigkeit von Einschlaf-/Durchschlafstörungen (Robert Koch-Institut 2009) und über die subjektive Bewertung der mittleren Schlafqualität ermittelt. Die Teilnehmer (N = 68) waren nahezu ausschließlich männlich (95,6%) und im Durchschnitt 42,6 Jahre alt (SD = 8,6 Jahre). Zur Messung der Unterschiede zwischen den beiden Befragungszeitpunkten wurden je nach Skalenniveau der T-Test für abhängige Stichproben respektive der Wilcoxon-Test herangezogen. Ergebnisse: Zwischen T0 und T1 verbesserte sich die gesundheitsbezogene Selbstführung in den Dimensionen Selbstwirksamkeit und Verhalten, während der Stellenwert der Gesundheit hochsignifikant sank. Ihre Schlafqualität schätzten die Teilnehmer nach der Seminarreihe subjektiv besser ein als zu deren Beginn. Ebenso gaben sie an, länger zu schlafen und seltener pro Woche unter Durchschlafstörungen zu leiden. Ähnliche Effekte ließen sich für die Häufigkeit von Einschlafstörungen nachweisen. Schlussfolgerung: Spezifische Gesundheitsseminare für Schichtarbeiter scheinen zunächst kurzfristig Aspekte der gesundheitsbezogenen Selbstführung sowie die Schlafqualität der Mitarbeiter verbessern zu können. Eine Erklärung für den scheinbar inkongruenten Befund der Abnahme der Gesundheitsrelevanz könnte sein, dass durch die Teilnahme am Seminar die Gesundheit von den Mitarbeitern möglicherweise nicht mehr als zentral belastendes Thema angesehen wird. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass es sinnvoll ist, im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements für Schichtarbeiter neben strukturellen Veränderungen, z.B. der Einführung eines nach arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen gestalteten Schichtplans, auch auf individueller Mitarbeiterebene gesundheitsfördernde Maßnahmen zu ergreifen. Die Vermittlung von Kompetenzen zur Reduktion der durch Schichtarbeit entstehenden Belastungen scheint hierbei erfolgversprechend.