Gesundheitswesen 2013; 75 - A59
DOI: 10.1055/s-0033-1354045

Wahrgenommene soziale Unterstützung und subjektive Gesundheit von Krankenhauspatienten

M Philippi 1, T Altenhöner 2, M Köhler 3, J Schmidt 1, S Roth 1, M Knoll 1
  • 1Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) des Saarlandes, Saarbrücken
  • 2FH Bielefeld, Bielefeld
  • 3Institut für Technologietransfer an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (FITT)

Hintergrund: Soziale Unterstützung gilt zunehmend als wichtige gesundheitliche Ressource (z.B. Holt-Lunstad, Smith & Layton 2010). Personen, die eine angemessene Unterstützung aus ihrem sozialen Umfeld wahrnehmen, scheinen einen besseren psychischen und physischen Gesundheitszustand aufzuweisen (z.B. Melchior et al. 2003). Sind Personen mit einer guten Unterstützung erkrankt, so nehmen sie ihre gesundheitlichen Einschränkungen offenbar als weniger belastend wahr (Bierman & Statland 2010) und scheinen besser mit ihrer Erkrankung und den Folgen umgehen zu können als wenig unterstützte Patienten (Gallant 2003). Zugleich zeigten sich Zusammenhänge zwischen der wahrgenommenen Unterstützung und dem Auftreten von Depressionen (Zietemann et al. 2007). Obgleich zahlreiche Befunde darauf hindeuten, dass soziale Unterstützung ein hohes Potenzial in der Gesundheitsförderung von Patienten haben könnte, gibt es bislang wenig Befunde zur Bedeutung von sozialer Unterstützung im Versorgungssystem bzw. darüber, wie sie systematisch im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung als Ressource genutzt werden könnte. Weiterhin ist wenig darüber bekannt, wie soziale Unterstützung mit dem subjektiven Gesundheitszustand von Krankenhauspatienten assoziiert ist. In den vorliegenden Analysen wurde daher der Frage nachgegangen, ob die von den Patienten wahrgenommene Unterstützung aus dem sozialen Umfeld einen Einfluss auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die Wahrnehmung von Einschränkungen bei täglichen Aktivitäten bzw. auf psychische Belastungen wie Depressivität und Ängstlichkeit ausübt. Methoden: Die Untersuchung basiert auf den querschnittlichen Daten einer standardisierten schriftlichen Befragung von Patienten zweier Akutkrankenhäuser. Die wahrgenommene soziale Unterstützung wurde mit dem F-SOZU (Fydrich et al. 2007) erfasst. Die Messung der physischen und psychischen Gesundheitsmerkmale erfolgte u.a. über Angaben zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität (SF 8, Ellert, Lampert & Ravens-Sieberer 2005), gesundheitsbedingten Einschränkungen in Alltagsaktivitäten und Teilhabe (IMET, Deck et al. 2006) sowie zur psychischen Belastung durch Depressivität und Ängstlichkeit (HADS-D, Hermann-Lingen, Buss & Snaith 2011). Die Unterschiedsprüfungen zwischen Patientengruppen mit hoher bzw. geringer bis mittlerer Unterstützung erfolgten zunächst bivariat. In anschließenden varianzanalytischen Verfahren wurden die Effekte des Alters, des Geschlechts und der Krankheitsschwere kontrolliert. Insgesamt sind 523 Patienten befragt worden. Der Anteil der Frauen betrug 48,7% (N = 253), das durchschnittliche Alter der Patienten lag bei 57,4 Jahren (SD = 15,1 Jahre). Ergebnisse: 69,3% (N = 347) der Befragten nahmen eine hohe Unterstützung aus ihrem sozialen Umfeld wahr. Im Vergleich zu Patienten mit geringer und mittlerer Unterstützung bewerteten Personen, die sich gut unterstützt fühlten, ihren gesundheitlichen Zustand auch nach Kontrolle von Alter, Geschlecht und Krankheitsschwere in allen Dimensionen signifikant besser. Sie stuften ihre psychische und körperliche Lebensqualität höher ein, litten in geringerem Umfang an gesundheitsbedingten Einschränkungen in Aktivitäten des täglichen Lebens, wie z.B. der Körperpflege, der Nahrungsaufnahme und der Wahrnehmung familiärer und beruflicher Verpflichtungen. Gleichzeitig waren sie weniger stark durch Depressivität und Ängstlichkeit belastet. Diskussion: Soziale Unterstützung scheint bei Krankenhauspatienten die Sicht auf die eigene Gesundheit zu beeinflussen. Im Hinblick darauf, dass die Relevanz des subjektiven Gesundheitszustands auf gesundheitsbezogene Outcomes immer deutlicher wird (Halford et al. 2012), könnte eine stärkere Berücksichtigung und gezielte Förderung bzw. Einbindung von sozialen Unterstützungsnetzwerken im Rahmen von Krankenhausaufenthalten und innerhalb des Gesundheitsversorgungssystems zur Förderung der Patientengesundheit beitragen. Weitere praxisnahe Forschungsansätze sollten sich mit dem Einfluss gezielter sozialer Unterstützung auf die Genesung befassen.