Gesundheitswesen 2013; 75 - A58
DOI: 10.1055/s-0033-1354044

Das kultursensible und migrantenfreundliche Krankenhaus

K Blum 1, P Steffen 1
  • 1Deutsches Krankenhausinstitut

Einleitung: Der Anteil der Personen mit Migrationsgeschichte in der Bevölkerung nimmt sukzessive zu. Der steigende Migrantenanteil stellt auch die Krankenhäuser vor besondere Herausforderungen. Eine kultursensible Patientenversorgung berücksichtigt sprachliche, kulturelle und religiöse Besonderheiten in der Behandlung und Betreuung von Patienten mit Migrationshintergrund. Mit der Befragung nordrhein-westfälischer Krankenhäuser durch das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) erfolgte erstmalig eine grundlegende Bestandsaufnahme zur Kultursensibilität von Krankenhäusern in einem Bundesland. Methodik: An der standardisierten schriftlichen Krankenhausbefragung beteiligten sich 57 Allgemeinkrankenhäuser in Nordrhein-Westfalen ab 50 Betten (Rücklaufquote 16%). Trotz des geringen Rücklaufs war die Verteilung der Stichprobenkrankenhäuser nach den Merkmalen Krankenhausgröße, Regionsgrundtyp und Migrantenanteil im Einzugsgebiet näherungsweise proportional zur Merkmalsverteilung in der Grundgesamtheit. Ergebnisse: Für die Mehrzahl der Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen ist Kultursensibilität von strategischer Relevanz, insofern sie in der Unternehmensstrategie, in Leitbildern oder im Qualitätsmanagement ausdrücklich Berücksichtigung findet. In den meisten Häusern gibt es eine Vielzahl von migrationsspezifischen Maßnahmen, Instrumenten und Kompetenzen. Dies betrifft gleichermaßen das strategische und operative Management, die Organisation- und Personalentwicklung, das Informations- und Kommunikationsverhalten sowie unterschiedlichste Aspekte und Prozesse der Patientenversorgung. Des Weiteren gibt es unter den Krankenhausbelegschaften in Nordrhein-Westfalen eine Fülle kultursensibler Kompetenzen und Qualifikationen. Diese sind zum einen zurückzuführen auf die individuelle Migrationsgeschichte einer relevanten Minderheit von Krankenhausmitarbeitern. Zum anderen sind sie das Ergebnis von einschlägiger Information und Aufklärung des Personals durch die Krankenhäuser sowie spezifischer Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen. Für Patienten mit Migrationsgeschichte sind fremdsprachliche Informationsmaterialien weit verbreitet. Dies betrifft insbesondere die grundlegenden Informationen zur Behandlung oder zum Haupteingriff. Ansonsten erfolgen Übersetzungen für Patienten mit geringen Deutschkenntnissen im Wesentlichen mündlich. Dabei setzen die Krankenhäuser vor allem eigenes Personal mit gleicher Muttersprache ein. Kulturelle oder religiöse Aspekte der Verpflegung finden in den meisten Krankenhäusern Berücksichtigung, so dass im Rahmen von Menüalternativen das Speiseangebot mit kulturspezifischen Essgewohnheiten vereinbar ist. Hinsichtlich der Unterkunft halten die meisten Krankenhäuser Gebetsräume oder Kapellen mit religiöser Ausstattung oder neutral gestaltete Religionsräume für alle Regionen sowie Aufbahrungsräume für Verstorbene vor. Diskussion: Die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen sind auf dem Weg, ihre Kultursensibilität weiter zu verbessern und die Patientenversorgung migrantenfreundlich auszurichten. Verbesserungspotenziale bestehen u.a. noch bei der Zielplanung, Erfolgskontrolle und Verbreitung des kultursensiblen Handelns. So bestehen etwa noch größere Varianzen in der Kultursensibilität zwischen den Krankenhäusern. Innerhalb der Krankenhäuser sind einschlägige Maßnahmen teilweise erst partiell umgesetzt, sei es mit Blick auf die Durchdringung über Fachabteilungen und Berufsgruppen oder die Standardisierung von Prozessen und Verantwortlichkeiten. Auf Basis der Befragungsergebnisse leitet die DKI-Studie zahlreiche Handlungsempfehlungen für ein migrantenfreundliches Krankenhaus ab. Schwerpunkte bilden dabei Management und Organisation, Information und Kommunikation, Unterkunft und Verpflegung sowie die