Gesundheitswesen 2013; 75 - A8
DOI: 10.1055/s-0033-1354003

Immer gesünder im Alter – Ein positiver Trend für alle? Eine sozialstratifizierte Analyse zur Morbiditätskompression auf der Datenbasis des Sozioökonomischen Panels von 1992 bis 2010.

F Trachte 1, S Sperlich 1, S Geyer 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Medizinische Soziologie

Einleitung: In Anbetracht der demographischen Entwicklung ist die Gesundheitsentwicklung in der älteren Bevölkerung von zentraler Bedeutung. Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung steht die Morbiditätskompressionshypothese nach James F. Fries. Sie besagt, dass die Lebenszeit in guter Gesundheit steigt, während sich die mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen verbrachte Zeit langfristig verkürzt. Schwere Erkrankungen treten vor allem unmittelbar vor dem Tod auf. Bisherige Studien unterstützen diese Annahme, jedoch ist wenig erforscht, ob sich soziale Unterschiede in der Entwicklung der Gesundheit in der älteren Bevölkerung zeigen. Daten/Methodik: Beginnend mit dem Jahr 1992 werden die Daten des Sozioökonomischen Panels Deutschland (GSOEP) für die ältere Bevölkerung (65 bis 89 Jahre) in regelmäßigen zeitlichen Abständen bis zum Jahr 2010 im Querschnittsvergleich untersucht. Als Gesundheitsindikator wird die subjektive Gesundheit betrachtet. Folgende Fragen stehen hierbei im Mittelpunkt: Wie entwickelt sich die (sehr) gute subjektive Gesundheit in der älteren Bevölkerung über die Zeit? Unterscheiden sich diese Entwicklungsverläufe in Abhängigkeit vom sozialen Status (schulische Bildung, beruflicher Abschluss, Einkommen)? Welche weiterführenden Ungleichheitsdimensionen haben einen Einfluss auf eine (sehr) gute subjektive Gesundheitseinschätzung im Alter? Um diese Fragen zu beantworten, wurden neben deskriptiven Analysen binäre logistische Regressionsanalysen durchgeführt. Ergebnisse: Im Jahr 1992 schätzen 21,4% (n = 338) der Befragten ihre Gesundheit als (sehr) gut ein. Bis zum Jahr 2010 vergrößert sich der Anteil dieser Gruppe auf 25,7% (n = 811). Diese Entwicklung zeigt sich bei beiden Geschlechtern, wobei Frauen ihre Gesundheit insgesamt schlechter einschätzen als Männer. Zu jedem Zeitpunkt sind signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen sozioökonomischen Gruppen erkennbar. Der Anteil der Personen mit einer (sehr) guten Gesundheit ist in der höchsten Statusgruppe jeweils am größten. Über die Zeit vergrößert sich die gesundheitliche Ungleichheit. Hierbei zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede in der Bedeutung der Sozialindikatoren. Während sich bei Frauen mit einem hohen Einkommen die Gesundheit deutlich verbessert, bleibt der Anteil derjenigen mit einer (sehr) guten Gesundheit bei Frauen mit einem geringen Einkommen im zeitlichen Verlauf nahezu konstant. Bei Männern ist ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem beruflichen Abschluss und der gesundheitlichen Ungleichheit erkennbar. Zentrale Einflussfaktoren für eine (sehr) gute Gesundheit sind das Alter, der berufliche Abschluss sowie die sportliche Aktivität. Bei Männern hat zudem ein hohes Einkommen, bei Frauen eine hohe schulische Bildung einen positiven Effekt auf die Gesundheit. Diskussion/Schlussfolgerung: Insgesamt zeigen die Ergebnisse eine Verbesserung der subjektiven Gesundheit in der älteren Bevölkerung. Allerdings profitieren nicht alle sozialen Gruppen von dieser Entwicklung, da sich die gesundheitliche Ungleichheit über die Zeit vergrößert. Mit Bezug auf die Hypothese der Morbiditätskompression ist festzuhalten, dass diese nicht für die Gesamtbevölkerung, sondern nach Geschlecht und sozialem Status stratifiziert untersucht werden sollte.