Gesundheitswesen 2013; 75 - A5
DOI: 10.1055/s-0033-1354001

Entwicklungsgefährdungen von Drei- bis Sechsjährigen mit nicht-deutscher Muttersprache aus Kindertageseinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern: Ergebnisse des Projekts „Summative Evaluation KiföG M-V“

M Franze 1, A Gottschling-Lang 1, W Hoffmann 1
  • 1Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Abteilung Versorgungsepidemiologie und Community Health, Greifswald

Hintergrund: Migrationshintergrund stellt einen potentiellen Einflussfaktor für die gesundheitliche Situation von Kindern und Jugendlichen in Deutschland [12] und die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen dar [3]. In Mecklenburg-Vorpommern (M-V) liegt der Ausländeranteil bei 2,5% [4]) und ist somit im Vergleich zum Bundesdurchschnitt von 9,1% [5] als sehr gering einzustufen. Auf Basis der Ergebnisse des Modellprojekts „Kinder in Kitas“ [67] ist die Früherkennung von Entwicklungsgefährdungen (EG) bei 3- bis 6-Jährigen speziell aus Kindertageseinrichtungen (Kitas) in sozial benachteiligten Regionen seit 2010 durch das novellierte Kindertagesförderungsgesetz (KiföG M-V) gesetzlich geregelt [8]: Das KiföG M-V beinhaltet (1) die jährliche Durchführung eines validen Screeningverfahrens für einen Zeitraum von mindestens 3 Jahren, (2) die anschließende gezielte individuelle Förderung von Kindern mit EG und (3) die Beteiligung dieser Kitas an einer Evaluation. Zur Umsetzung des KiföG M-V werden diesen Kindertageseinrichtungen vom Land zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt. In welchem Maße Kitas in M-V den Status Migrationshintergrund bei der Implementation gesundheitsfördernder/präventiver Maßnahmen gesondert berücksichtigen sollten, ist bislang unklar. Methoden: Die Evaluation des KiföG M-V mit Schwerpunkt auf der Anwendung eines Screeningverfahrens erfolgt im Rahmen des Projekts „Summative Evaluation KiföG M-V“. Als Screeningverfahren kommt das „Dortmunder Entwicklungsscreening für den Kindergarten (DESK 3 – 6)“ [9] in 108 Kitas in M-V zum Einsatz. Mit dem DESK 3 – 6 können EG von Drei- bis Sechsjährigen in den Kompetenzbereichen Feinmotorik (FM), Grobmotorik (GM), Sprache und Kognition (SK nur bei Kindern mit deutscher Muttersprache) und soziale Entwicklung (SE) ermittelt werden. Ergebnisse: 309 Kinder (5,1%) weisen eine nicht-deutsche Muttersprache (ndM) auf. Die drei häufigsten ndM sind russisch (44,9%), polnisch (9,7%) und vietnamesisch (9%). Kinder mit ndM besuchen statistisch signifikant erst seit kürzerer Zeit die Kita [Mann-Whitney-U: 764980,5 p < 0,001]. Mit einem Mittelwert von 4,08 in der DESK-Skala SE erzielen Kinder mit ndM ein statistisch signifikant schlechteres Screeningergebnis als Kinder mit deutscher Muttersprache (SE-Mittelwert: 4,60) [T: 4,0 df: 5898 p < 0,01]. In Hinblick auf die DESK-Skalen FM, GM und GES sind hingegen keine statistisch signifikanten Unterschiede zu berichten (p > 0,05). Ebenfalls keine statistisch signifikanten Gruppenunterschiede liegen in Bezug auf die Regelmäßigkeit des Kitabesuchs [Chi-Quadrat: 2,263 df: 1 p > 0,05] und die Motivation zur Teilnahme am DESK-Zirkusspiel [Mann-Whitney-U: 717135,5 p > 0,05] vor. Auch unterscheiden sich beide Gruppen nicht statistisch signifikant in Bezug auf den Erhalt besonderer Fördermaßnahmen (z.B. Frühförderung, Krankengymnastik, Sprach-/Ergotherapie) [Chi-Quadrat: 0,163 df: 1 p > 0,05]. Schlussfolgerung: In der Studienregion erweist sich ndM ausschließlich als Einflussfaktor auf die kindliche Entwicklung im Bereich der sozialen Kompetenz. Kitas sollten daher diese Kompetenzen bei Kindern mit ndM besonders fördern. Da Kinder mit ndM nicht unregelmäßiger die Kita besuchen, stellt dieses Setting auch für Kinder mit ndM eine chancenreiche Lebenswelt zur Implementation gesundheitsfördernder/präventiver Ansätze dar. Aufgrund der geringeren Besuchsdauer der Kita bei Kindern mit ndM könnte der Einfluss der Kita bei diesen Kindern jedoch mit einer Latenzzeit verbunden sein. Zukünftig werden die Screening-Daten mit Daten der Schuleingangsuntersuchung verglichen.