Gesundheitswesen 2013; 75 - A3
DOI: 10.1055/s-0033-1353999

Rauchen bis der Arzt kommt? – Tabakentwöhnung in der Hausarztpraxis

S Schneider 1, M Mayer 2, K Diehl 3, C Bock 1, R Herr 1, T Yarmoliuk 4
  • 1Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin Universität Heidelberg, Mannheim
  • 2Internistische Gemeinschaftspraxis Dr. med. Manfred Mayer und Dr. med. Angela Schmid, Mannheim, Mannheim
  • 3Ärztenetz Qu@linet e.V. Mannheim
  • 4Universität Heidelberg, Medizinische Fakultät Mannheim, Mannheim

Einleitung/Hintergrund: Im Jahr 2010 war jeder vierte Todesfall in Deutschland auf kardiovaskuläre Ursachen zurückzuführen (1). Rauchen gilt als ein zentraler Risikofaktor und zugleich als eine der wichtigsten vermeidbaren Ursachen kardiovaskulärer Erkrankungen (2, 3). Damit spielt Tabakentwöhnung eine zentrale Rolle bei der kardiovaskulären Prävention. Die Hausarztpraxis erweist sich als ein günstiges Setting für präventive Angebote, weil mindestens 70% der Raucher jährlich den Hausarzt besuchen (4) und bereits Kurzinterventionen durch den Hausarzt nachweislich wirken (5, 6). Zur Durchführung von Interventionen empfehlen die Fachgesellschaften die „5 A-Strategie“, bestehend aus den Schritten „Assess“ (Erfragen des Konsums), „Advise“ (Anraten einer Entwöhnung), „Agree“ (Zielvereinbarung), „Assist“ (Hilfestellung) und „Arrange“ (Überprüfung der Zielerreichung). Unsere Hausärztebefragung sollte folgende Fragen beantworten: Wie sieht das Angebot zur Tabakentwöhnung bei deutschen Hausärzten derzeit aus? Welche Faktoren sind mit dem Angebot an Tabakentwöhnung in der primärärztlichen Versorgung assoziiert? Existieren regionale Unterschiede für das Angebot einer Tabakentwöhnung? Daten/Methodik: In dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten bundesweiten Ärztesurvey „ÄSP-kardio“ wurden über 4.000 Hausärzte (Allgemeinmediziner, Praktische Ärzte und hausärztlich tätige Internisten) u.a. zur angebotenen Tabakentwöhnung und anderen Maßnahmen zur Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen befragt. Der eingesetzte Fragebogen wurde mittels kognitiver Interviews validiert und im Rahmen einer Pilotstudie umfangreich getestet. Die Feldphase wurde im Zeitraum von 10/2011 bis 03/2012 nach der Total-Design-Methode durchgeführt. Ergänzend fand eine Non-Responder-Befragung statt. Von einem routinemäßigen Angebot wurde definitionsgemäß ausgegangen, wenn die Mehrheit der Patienten (also mindestens 50%) ein entsprechendes Angebot erhält. Ergebnisse: Routinemäßig erfragten 89,2% der befragten Hausärzte etwaigen Tabakkonsum („Assess“), 81,9% rieten rauchenden Patienten zu einem Rauchstopp („Advise“) und 11,7% vereinbarten konkrete schriftliche Ziele einer Entwöhnung mit den betroffenen Patienten („Agree“). Hilfestellungen („Assist“) in Form von motivierender Gesprächsführung oder mündlicher Kurzintervention fanden mit 71,6% deutlich häufiger statt als Hilfestellungen durch die Bereitstellung von Informationsmaterial (33,0%) oder durch die Vermittlung einer Entwöhnungstherapie (27,2%). Etwa die Hälfte (53,8%) der Hausärzte vereinbarten mit ihren Patienten einen Folgetermin zur Überprüfung der Zielerreichung („Arrange“). Während fast alle Hausärzte (99,4%) die Bedeutung der Tabakentwöhnung betonten, hielten sich 3 von 10 Hausärzten (30,4%) für nicht ausreichend ausgebildet und 8 von 10 Hausärzten (76,8%) bewerteten die von ihnen durchgeführten Maßnahmen als nicht erfolgreich. Überdurchschnittlich war das Angebot von mindestens zwei A's bei erst seit Kurzem niedergelassenen Hausärzten, Hausärzten mit vielen Patientenkontakten und Hausärzten an bevölkerungsreicheren Standorten. Zudem zeigten regionale Analysen, dass vor allem in den neuen Bundesländern das Angebot zur Tabakentwöhnung unterdurchschnittlich war. Diskussion: Bis dato liegen nur wenige internationale Studien zur Tabakentwöhnung in der primärärztlichen Versorgung vor. Insbesondere fehlten bislang aktuelle Repräsentativdaten zu Maßnahmen der Tabakentwöhnung in der hausärztlichen Versorgung in Deutschland. Die hier präsentierten, vorläufigen Daten der ÄSP-kardio-Studie schließen diese Lücke, indem sie Licht in die Black Box „Arztpraxis“ bringt. Schlussfolgerung: Die nun vorliegende Beschreibung der Entwöhnungspraxis aus ärztlicher Sicht deckt unter anderem regionale Unterschiede im Angebot auf und mag z.B. bei der Entwicklung der künftigen S3-Leitlinie zur Tabakentwöhnung hilfreich sein.