Aktuelle Dermatologie 2014; 40(04): 149
DOI: 10.1055/s-0033-1353654
Interview
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Wissenschaftliche Neugier, lebenslange Fortbildung und Empathie am Patienten

Prof. Dr. med. Hans Meffert im Gespräch mit Prof. Dr. med. Uwe-Fritjof Haustein
U.-F. Haustein
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Publication Date:
11 April 2014 (online)

Darf ich mit der Tür ins Haus fallen? Haben Sie ein Lebensmotto?

Prof. U.-F. Haustein: Es lautet: Carpe diem, quam minimum credula postero. Mit zunehmendem Alter auch Toleranz und Demut.

Wer hat Sie fachlich besonders geprägt?

Prof. U.-F. Haustein: Meine beiden Lehrer, Prof. H. E. Kleine-Natrop in Dresden sowie Prof. N. Sönnichsen in Jena und Berlin.

Was war für Ihren beruflichen Erfolg ausschlaggebend?

Prof. U.-F. Haustein: Zielstrebigkeit und persönliche Disziplin, konzeptionelles und strategisches Denken, sozialkompetentes Führen der Mitarbeiter durch Fördern und Fordern sowie einfühlsamer Umgang mit den Patienten. In Leipzig war ich 27 Jahre als Klinikdirektor mit begabten und engagierten Mitarbeitern tätig. 18, darunter drei Naturwissenschaftler und ein Psychologie, haben sich bei uns habilitiert. Das Ergebnis: 757 wissenschaftliche Publikationen (bis 1989 ein Viertel im westlichen Ausland!), 1065 wissenschaftliche Vorträge, acht Monografien sowie 62 Buchbeiträge. Besonders bedauere ich, dass das Lehrbuch „Sexuell übertragbare Erkrankungen“, Fischer-Verlag 1990, nicht in einer zweiten Auflage erscheinen konnte.

Welche Ihrer dermatologischen Forschungsarbeiten halten Sie für besonders wichtig?

Prof. U.-F. Haustein: 1. Meine Habilitation 1969 in Jena: „Physiologie und Pathophysiologie der lokalen Fibrinolyse in gesunder und kranker Haut“. 2. Elektronenmikroskopische Untersuchungen der sog. Virus-ähnlichen Partikel insbesondere in Endothelzellen, aber auch Lymphozyten und Keratinozyten bei verschiedenen Autoimmunkrankheiten an der Charité.3. In Leipzig haben wir die quarzinduzierte Sklerodermie (111 eigene Patienten) klinisch und epidemiologisch gemeinsam mit V. Ziegler und später zellphysiologisch, biochemisch und molekularbiologisch mit U. Anderegg und Anja Saalbach an Zell-(ko-)kulturen mit Fibroblasten, Lymphozyten und Keratinozyten untersucht und gezeigt, dass die Vorgänge durch Quarzinduktion im Zellmodel vergleichbar mit denen der Slerodermie ablaufen. 4. Über 15 Jahre hatten wir ein Langzeitforschungsvorhaben (drei Naturwissenschaftler, zwei MTA) der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig aquiriert, das mit Untersuchungen zur Sklerodermie begann und später in solche über Wundheilung und Tumor-Matrix-Interaktionen einmündete. Dabei haben wir ein neues Adhäsionsmolekül, das sogenannte Thy 1 beschrieben.5. Bereits 1985 haben wir die Permethrin-Therapie der Skabies und Phthiriasis in die Klinik eingeführt. Schließlich habe ich Infectopharm von der Sinnfälligkeit dieser Therapie überzeugt, unsere Langzeiterfahrungen gutachterlich eingebracht und die Markteinführung in Deutschland unterstützt. 6. Auch die Einführung von Metronidazol zur Therapie der Rosacea erfolgte durch uns 1986. Beide Therapien sind in der ersten Auflage „Dermatologische Lokaltherapie“, gemeinsam mit J. Barth und E. Fickweiler, 1986 als Empfehlung formuliert.

Welches Forschungsgebiet hätten Sie gern intensiver bearbeitet?

Prof. U.-F. Haustein: Sehr gern hätte ich unsere Forschungen zur Tumor-Matrix-Interaktion nach 2005 fortgesetzt. Die Arbeitsgruppe wurde komplett durch meinen hoch geschätzten Nachfolger J. C. Simon übernommen.

Woran arbeiten Sie gerade?

Prof. U.-F. Haustein: Bekanntlich wurde ich 1988 in die Sächsische Akademie der Wissenschaften als Ordentliches Mitglied berufen. Hier habe ich seit 1993 über 14 Jahre im Leitungsgremium mitgearbeitet, darunter eine Wahlperiode von 2005 bis 2007 als Präsident in ehrenamtlicher Vollzeittätigkeit. Sie hat meinen Horizont bezüglich der Vielfalt der wissenschaftlichen Fachgebiete, aber auch unserer Forschungslandschaft und Wissenschaftspolitik enorm erweitert. 2005 habe ich den Förderverein unserer Akademie gegründet, dem ich seit dieser Zeit vorstehe. Ziel ist die Nachwuchs-Forschungsförderung. Als Ordentliches Mitglied der Nationalen Akademie für Technikwissenschaften (ACATECH) (seit 2007) bringe ich mich im Themennetzwerk „Gesundheitstechnologie“ ein.Dermatologisch arbeite ich neben gelegentlichen wissenschaftlichen Vorträgen und Publikationen, wenigen berufsdermatologischen Gutachten zur quarzinduzierten Sklerodermie (u. a. mit Australien) in der Arbeitsgruppe „schwere Hautreaktionen“ der Universitäts-Hautklinik in Freiburg mit.

Welche wesentlichen Probleme der Dermatologie sollten vorrangig gelöst werden?

Prof. U.-F. Haustein: Ich denke, dass die dermatologische Grundlagenforschung gebührend zum Erkenntnisfortschritt der Lebenswissenschaften beigetragen hat. Die Aufklärung der Pathogenese der Psoriasis, des atopischen Ekzems, der Autoimmun- und Tumorerkrankungen sowie die Anwendung neuer (biologischer) Therapie-Strategien sollte weiterhin durch Vernetzung in Arbeitsgruppen zwischen Klinikern und (Natur-)Wissenschaftlern unterschiedlicher Provenienz verfolgt werden.

Können Sie sich jetzt vermehrt der Kunst und Kultur widmen? Üben Sie wieder Klavier und Geige?

Prof. U.-F. Haustein: Im Klavier- und Orgelspiel finde ich einen emotionalen Ausgleich, übrigens auch im Bergwandern. Hin und wieder trete ich öffentlich auf, zuletzt bei der Tagung der Japanisch-Deutschen Dermatologischen Gesellschaft 2012 in Tokushima und Tokio am Klavier.

Welchen Rat möchten Sie der nächsten Dermatologengeneration geben?

Prof. U.-F. Haustein: Wissenschaftliche Neugier, lebenslange Fortbildung und Ehrfurcht vor dem „Alten“ sind eine gesunde Mischung, um mit der erforderlichen Empathie erfolgreich am Patienten zu agieren.