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DOI: 10.1055/s-0033-1347775
Ein Chimärenfall bei dizygoten, monochorialen Gemini nach ICSI-Schwangerschaft
Einleitung: Bei einer monochorialen Zwillingsschwangerschaft nach ICSI-Behandlung wurde pränatal eine Geschlechtsdiskrepanz diagnostiziert, der ein seltener Fall von Chimärismus zugrunde liegt. Fallpräsentation: Am dritten Tag nach Follikelpunktion und ICSI mit anschließender Laserbehandlung der Zona pellucida („assisted hatching“) wurden drei Embryonen mit eingeschränkter Qualität transferiert. Es trat eine monochoriale, diamniote Geminigravidität ein. Pränatal wurde in der 13+3 SSW im Rahmen einer detaillierten Ultraschalldiagnostik der Verdacht auf eine Geschlechtsdiskrepanz der Gemini gestellt, der sich in den Folgeuntersuchungen bestätigte. Die Gemini wurden in der 36. SSW per Sektio entbunden. Postpartum war das phänotypische Geschlecht des einen Zwillinges weiblich und des anderen männlich. Die Histologie der Plazenta zeigte monochoriale, diamniote Verhältnisse. Postnatal erfolgte die zytogenetische Analyse der Chromosomen der Zwillinge in verschiedenen Geweben (s. Tabelle).
Zellmosaik des phänotypisch weiblichen Zwillings |
||
Zellart |
Methode |
Ergebnis |
Blutlymphozyten |
Konventionelle Chromosomenanalyse |
XY:XX = 18:12 |
Blutlymphozyten |
FISH |
X0:XXY:XXYY:XY:XX = 3:3:1:155:138 |
Mundschleimhautzellen |
FISH |
XY:XX = 0:200 |
Urogenitaltrakt-Zellen |
FISH |
XY:XX = 5:95 |
Zellmosaik des phänotypisch männlichen Zwillings |
||
Zellart |
Methode |
Ergebnis |
Blutlymphozyten (Mesenchym) |
Konventionelle Chromosomenanalyse |
XY:XX = 19:11 |
Blutlymphozyten |
FISH |
XY:XX = 201:99 |
Mundschleimhautzellen (Ektoderm) |
FISH |
XY:XX = 200:0 |
Urogenitaltrakt-Zellen (Entoderm) |
FISH |
XY:XX = 47:0 |
Eine Abstammungsdiagnostik zur Abklärung eines Chimärismus wurde an EDTA-Blut der beiden Zwillinge durchgeführt und zeigt bei beiden Kindern ein identisches Signalmuster: In 4 der 10 untersuchten STR-Systeme fanden sich mehr als zwei Allele, so dass für Blutlymphozyten die Diagnose der Chimären bewiesen wurde. Schlussfolgerung: Die Befruchtung der Eizellen erfolgte durch ICSI, so dass die gleichzeitige Befruchtung der Eizelle und des abgeschnürten Polkörpers mit zwei verschiedenen Spermien mit nachfolgender Fusion und späterer Teilung ausgeschlossen ist. Die Befruchtung der Eizellen nach Mikroinjektion von jeweils einem Spermium und das regelrechte Vorkernstadium sind dokumentiert. Somit muss es nach dem Transfer zu einer Verschmelzung von zwei Embryonen mit nachfolgender Trennung zu Beginn der Differenzierung in die drei Keimblätter gekommen sein.