Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2013; 10 - A139
DOI: 10.1055/s-0033-1347674

Die Relevanz des Nocebo-Effekts während der Antihormontherapie von Brustkrebs

F Schuricht 1, P von Blanckenburg 1, U Albert 2, S Heisig 3, M Shedden Mora 3, W Rief 1, Y Nestoriuc 3
  • 1Arbeitsgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie, Fachbereich Psychologie, Philipps-Universität Marburg, Marburg, Deutschland
  • 2Klinik für Gynäkologie, gynäkologische Endokrinologie und Onkologie, Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Marburg, Deutschland
  • 3Klinische Psychologie und Psychotherapie, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft, Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland

Hintergrund: Die antihormonelle Therapie des Mamma Karzinoms ist oft mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden, welche die Lebensqualität beeinträchtigen können und nicht selten zu Behandlungsabbrüchen führen. Viele Symptome sind unspezifisch („Nocebo Effekte“) und hängen eher von individuellen Erwartungen und dem Behandlungskontext als von spezifischen pharmakologischen Effekten ab. Die vorliegende Studie untersucht die prädiktive Bedeutung von Erwartungen zur Antihormontherapie auf erlebte Nebenwirkungen und Lebensqualität bei Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs.

Methoden: In einer prospektiven Studie wurden 110 Brustkrebspatientinnen vor Beginn mit der Antihormontherapie befragt, ob sie Nebenwirkungen erwarten und wie sie ihre Coping-Möglichkeiten bei möglichen Beschwerden einschätzen. Drei Monate nach Therapiebeginn wurden tatsächlich erlebte Nebenwirkungen (GASE) und die gesundheitsbezogene Lebensqualität (EORTC QLQ-C30 und -BR23) erfasst.

Ergebnisse: Hohe Nebenwirkungs-Erwartungen vor Behandlungsbeginn waren mit stärkeren Nebenwirkungen drei Monate später assoziiert (r = 0,31, p < 0,01). Hohe Nebenwirkungs-Erwartungen und niedrige Coping-Erwartungen standen mit einer reduzierten gesundheitsbezogenen Lebensqualität in Verbindung (r =-0,19, p < 0,05; bzw. r =-0,40, p < 0,001). In einer multivariaten Regressionsanalyse (R2korr = 0,34; F = 7,14) erwiesen sich die a priori Nebenwirkungs-Erwartungen nach Kontrolle von demographischen und medizinischen Variablen als signifikanter Prädiktor für tatsächlich erlebte Beschwerden während der Therapie (ΔR2 = 0,06; ß= 0,26, p < 0,01).

Diskussion: Individuelle Nebenwirkungs-Erwartungen vor Beginn beeinflussen nicht nur die auftretenden Nebenwirkungen der Antihormontherapie, sondern resultieren auch in einer reduzierten Lebensqualität. Die Ergebnisse lassen auf den Einfluss des Nocebo-Effekts während der Antihormontherapie schließen. Ein therapeutisches Angebot zur Unterstützung der Patientinnen vor Therapiebeginn ist erstrebenswert, um Behandlungserwartungen zu optimieren und die Lebensqualität während der Behandlung zu verbessern.