Rehabilitation (Stuttg) 2013; 52(03): 213-214
DOI: 10.1055/s-0033-1347227
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prof. Dr. med. Dr. phil h. c. Kurt-Alphons Jochheim

20.1.1921 Hamburg–30.3.2013 ErftstadtEhrenvorsitzender der Deutschen Vereinigung für RehabilitationEhrenherausgeber der Zeitschrift Die Rehabilitation
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Publication Date:
12 June 2013 (online)

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Kurt-Alphons Jochheim

Professor Jochheim hat seit Ende der fünfziger Jahre Theorie und Praxis der modernen, integrierten Rehabilitation behinderter Menschen in Deutschland wesentlich mitgeprägt.

Als Neurologe, Psychiater, Sozialmediziner und Rehabilitationswissenschaftler arbeitete er unermüdlich, mit Weitblick, Augenmaß und nachhaltigem Erfolg an der Weiterentwicklung der Rehabilitation im sozialpolitischen Kontext. Stets suchte er dabei – in der Praxis als Klinikleiter, Hochschullehrer, Wissenschaftler und Publizist sowie in zahlreichen Ehrenämtern –, die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Fachdienste und ebenso die aktive Mitarbeit der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu fördern.

Beruflich prägte er ab 1964 das neu eingerichtete Ordinariat für Rehabilitation und Behindertensport an der Deutschen Sporthochschule Köln, verbunden mit der Leitung des Seminars für Rehabilitation – seit 1971 Institut für Rehabilitation und Behindertensport – bis zu seiner Emeritierung 1986. Darüber hinaus eröffnete er nach beharrlichen Verhandlungen 1966 das Rehabilita­tionszentrum der Universität zu Köln und leitete diese erste klinische Einrichtung an einer westdeutschen Universität ebenfalls bis 1986.

In beiden Einrichtungen gelang es Prof. Jochheim mit bescheidenen Mitteln dank engagierter Mitarbeiter modellhafte Vorhaben zu verwirklichen:

  • im Rehabilitationszentrum die integrierte medizinisch-beruflich-soziale Rehabilitation Behinderter als eine fachärztlich fundierte und verantwortete interdisziplinäre Dienstleistung im Verband eines großen Krankenhauses. Beispielhaft war dabei das Gesamt aus eigenständigem stationärem Bereich mit nahtlosem Übergang zur teilstationären Förderung sowie rehabilitationsmedizinischer Ambulanz und Nachsorge, beginnend mit der konsiliarischen Betreuung in den Akutkliniken über die frühe medizinische Rehabilitation (Phase I b) bis zum Schwerpunkt in der Rehabilitation Phase II;

  • im Institut der Sporthochschule eine Forschungs- und Ausbildungsstätte für behinderungsgerecht adaptierten Breiten- und Leistungssport als wichtiges Übungsfeld für die gesundheitliche Stabilisierung, persönliche Entfaltung und soziale Eingliederung Behinderter; maßgeblich beteiligt war er hier auch an der Entwicklung des speziell auf die Bedürfnisse Behinderter ausgerichteten Ausbildungsganges für Diplom-Sportlehrer „B“.

Beide Institutionen wurden auch nach Prof. Jochheims Emeritierung weitergeführt; das Institut an der Sporthochschule existiert unter anderem Namen bis heute.

Seit seiner Habilitationsschrift „Grundlagen der Rehabilitation in der Bundesrepublik Deutschland“ 1956 bestimmten über mehr als 4 Jahrzehnte Veröffentlichungen zur medizinischen, schulisch-beruflichen und sozialen Rehabilita­tion sein wissenschaftliches und publizistisches Wirken. Themenschwerpunkte waren die umfassende Rehabilitation bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen, die Arbeitsweise von Rehabilitationseinrichtungen, die Aus- und Fortbildung von Fachkräften sowie die Einschätzung und Messung von Rehabilitationspotenzial und -erfolg. Prof. Jochheim engagierte sich dabei sowohl national als auch auf europäischer und internationaler Ebene für die Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen und war stets ­bestrebt, internationale Entwicklungen für Deutschland nutzbar zu machen; so z. B. noch 1993 bei der Übersetzung und Kommentierung der International Classification of Impairments, Disabilities and Handicaps (ICIDH) der World Health Organisation (WHO), Vorläuferin der International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF).

Sein zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen verfasstes Gesamtwerk umfasst insgesamt über 20 Monografien, Lehrbücher und Handbücher sowie rund 270 sonstige Veröffentlichungen.

Bereit und fähig zu führen und zuzuhören, stets sachbezogen mit profundem Sachverstand und souveränem Überblick, persönlich ganz uneitel und hilfsbereit, widmete er sich auch zahlreichen Ehrenämtern. Genannt seien:

  • Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für die Rehabilitation Behinderter von 1967 bis 1992, danach Ehrenvorsitzender: Prof. Jochheim bewirkte als Vorsitzender strukturell die engere Einbindung der Behindertenverbände und der Leistungsträgergruppen und zuletzt noch die Überleitung der DDR-Gesellschaft für Rehabilitation; inhaltlich eine konsensorientierte interdisziplinäre Arbeitsweise in ­Arbeitsausschüssen und Gremien sowie öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen und Pub­likationen. Seiner Arbeit ist es zu verdanken, dass die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) als interdisziplinäre Fachorganisation für die gesamte Behindertenhilfe anerkannt ist.

  • Mitherausgeber der Zeitschrift „Die Rehabilitation“ seit ihrer Begründung 1962, Ehrenherausgeber seit 2003: Prof. Jochheim hat maßgeblich dafür gesorgt, dass „Die Rehabilitation“ sich zum wichtigsten deutschsprachigen, auch international beachteten Forum für alle Fragen der Rehabilitation entwickelt hat. Sein Bemühen galt stets einer breiten, wissenschaftlich fundierten und interdisziplinären Information und Fortbildung auf allen Feldern der Rehabilitation einschließlich der Rehabilitationswissenschaften.

  • Präsident von Rehabilitation International (RI), New York: In dieser Position, die er von 1972 bis 1976 innehatte, und in anderen Ämtern vorher und nachher hat sich Prof. Jochheim für die Konsolidierung dieser weltweit tätigen Vereinigung und die Entwicklung gesundheitspolitischer Vorschläge zur Prävention von Behinderungen und Rehabilitation behinderter Menschen eingesetzt.

  • Mitinitiator und später Ehrenpräsident der European Federa­tion on Research in Rehabilitation (EFRR) und Präsident der 2. Europäischen Konferenz für Rehabilitationsforschung 1985 in Düsseldorf.

Gemeinsam mit anderen bereitete Prof. Jochheim zudem über Jahre den Beschluss des Deutschen Ärztetages 1992 zu einem Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin und zur Zusatzbezeichnung Rehabilitationswesen vor.

Noch weit über seine berufliche Laufbahn hinaus war er jahrzehntelang auch als vielgefragter Berater und ärztlicher Sachverständiger in Fragen der Rehabilitation für nationale und übernationale Gremien tätig, u. a. für die Bundesregierung (BMA, BMJFG), für die WHO im Rahmen der ICIDH-Fortentwicklung, für den Europarat in Straßburg, für die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation, für zahlreiche Behindertenorganisationen, Berufsverbände sowie Beiräte von Rehabilitationseinrichtungen.

Prof. Jochheims außergewöhnliche Verdienste um die Rehabilitation in Deutschland, Europa und weltweit wurden national und international gewürdigt, so

  • 1984 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und 1995 mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland,

  • 1998 mit der Paracelsus-Medaille,

  • 2002 mit dem Dr. phil. h. c. der Fakultät für Rehabilitationswissenschaften, TU Dortmund,

  • mit der Salomon-Neumann-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Sozialmedizin,

  • mit dem Life Patron Award von Rehabilitation International und

  • mit dem Elly D. Friedman Professional Contribution Award der IFAPA (International Federation of Adapted Physical ­Activity).

Kurt-Alphons Jochheim war nicht nur als Wissenschaftler, Lehrer, Institutsleiter und in vielen Ehrenämtern ein Nestor der Rehabilitation in Deutschland. Für seine Patienten blieb er stets ein besonders engagierter Arzt mit sicherem diagnostischen Blick und therapeutischer Zuwendung.

Seine lebenslange Begeisterungsfähigkeit für das Ziel der umfassenden Rehabilitation, sein Weitblick, seine Überzeugungskraft, Toleranz und kollegiale Führung sowie seine Begabung zu klugem Ausgleich gewannen ihm hohe Wertschätzung und Zuneigung seiner Mitwirkenden. Sein Lebenswerk würdigend vergibt die DVfR seit 2011 jährlich die Kurt-Alphons-Jochheim-Medaille an Menschen, die für die Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderung Herausragendes leisten.

Über ein halbes Jahrhundert hin war Prof. Jochheim unermüdlich und erfolgreich für die Verwirklichung des Rehabilitationsgedankens in und außerhalb Deutschlands tätig. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass Rehabilitation sich in unserem Staat zu einem integralen Teil der sozialen Sicherheit für alle Menschen mit Behinderungen entwickelt hat. Diese Menschen, die in der Rehabilitation Tätigen und die Öffentlichkeit, wir alle wollen ihn in dankbarer Erinnerung behalten.·

Dr. Wolfgang Blumenthal, Ehrenvorsitzender der DVfR
Dr. Matthias Schmidt-Ohlemann, Vorsitzender der DVfR
Die Herausgeber der Zeitschrift Die Rehabilitation