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DOI: 10.1055/s-0033-1343542
Ein Kind mit letaler Fehlbildung wird ausgetragen
Hintergrund: Schwerste fetale Fehlbildungen sind selten und stellen für Schwangere und betreuende Ärzte eine Herausforderung dar. Die Inzidenz fetaler Fehlbildungen bezogen auf Lebendgeborene wird in der Literatur mit 1,3 – 4,5% angegeben, zwischen leichten und schweren Fehlbildungen muss unterschieden werden. Schwangerschaften mit komplexen Fehlbildungen, insbesondere bei Vorliegen von Aneuploidien weisen eine hohe Verlustrate auf.
Falldarstellung: Die 34-jährige IIIG, IP stellt sich in der 9. SSW bei ihrer niedergelassenen Frauenärztin vor. Sonograf. zeigt sich eine zeitgerecht entwickelte Einlingsgravidität, Festlegung des VET, Aufklärungen bzgl. Untersuchungen im Rahmen der MuVo und mögl. Zusatzuntersuchungen (z.B. ETS, Feindiagnostik) erfolgen. Weitere Vorsorgen übernimmt die Hebamme. Die Ultraschalluntersuchung in der 20. SSW nimmt die Patientin in der Praxis wahr. Es zeigt sich eine IUGR, eine differenzierte sonograf. Untersuchung wird der Patientin angeraten. Diese macht von ihrem Recht auf Nichtwissen Gebrauch. In 26+6 SSW folgt die Vorstellung der Schwangeren in der Klinik mit dem Wunsch nach einem differenzierten Ultraschall. Dieser ergibt eine intakte Einlingsgravidität mit schwere IUGR (Schätzgewicht 524 g, << 5. Perzentile n. Voigt), Fehlbildungen des Gehirns aus dem Formenkreis der Holoprosencephalie mit Corpus callosum- Agenesie, Ethmocephalie, Vermisaplasie, Schizencephalie, sowie dTGA mit AVSD, zystische Nierendegeneration bds., Omphalocele und Polydaktylie. Nach ausführlichen Gesprächen mit den Eltern hinsichtlich des Fehlbildungskomlexes des Kindes incl. der infausten Prognose, Bestätigung der diagnostizierten Fehlbildungen mittels DEGUM III- Ultraschall, Angebot der Karyotypisierung, Erläuterung der Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruches aus med. Indikation nach §218a, Abs. II, wird das Austragen der Schwangerschaft angestrebt, eine Haus- oder Geburtshaus-Geburt wird erwogen. Im Konsil in 29+0 SSW mit Patientin, Partner, Hebamme, Geburtshelfer, niedergelassenen Gynäkologin, Pädiater und Seelsorger werden neben postnatalem Procedere im Falle eines lebenden Kindes oder Totgeburt und Betreuung der Schwangerschaft, Fragen hinsichtlich des Bestattungsgesetzes besprochen (u.a. ärztl. Ausfüllen des Totenscheines, Überführung von Leichen in die Leichenhalle nach max. 48h, privates Transportverbot und Bestattungspflicht für jede Leiche). Die Patientin legt sich bzgl. des Entbindungsortes (Klinik/Geburtshaus/zu Haus) nicht fest. Verlaufskontrollen werden in Abständen bei der niedergelassenen Fachärztin wahrgenommen. In 36+3 SSW kommt es in der Klinik zur Totgeburt (1240 g, 41 cm lang, KU: 21 cm), die sonografisch diagnostizierten äußerlichen Fehlbildungen werden bestätigt. Mutter und Vater verbringen 8h mit ihrem Kind, nehmen Abschied, werden von Ärzten und Hebammen begleitet. Auf diese Situation haben sie sich über 10 Wochen vorbereitet. Eine Obduktion des Kindes lehnen die Eltern ab, die humangenetische Untersuchung wird gewünscht, da weitere Schwangerschaften geplant sind. Am gleichen Tag verlässt die Patientin bei subjektivem Wohlbefinden die Klinik. Das Kind wird der Bestattung zugeführt.
Zusammenfassung: Dieser Fall zeigt, dass neben einer sehr guten sonografischen Diagnostik das Wissen um medizinische und gesetzliche Möglichkeiten und Grenzen bedeutsam ist für Patient und Arzt. So kann die Schwangere ergebnisoffen beraten, aufgeklärt und in ihrer individuellen Entscheidung begleitet werden.