Diabetologie und Stoffwechsel 2013; 8 - FV67
DOI: 10.1055/s-0033-1341727

Neonataler Diabetes bei heterozygoter KCNJ11-Mutation Val59Met: Frühe Glibenclamidtherapie führt zu normaler, psychomotorischer Entwicklung (im Alter von 17 Monaten)

B Berlemann 1, T Bürücüoglu 1, P Seiffert 1, M Gong 2, D Simaite 2, K Raile 2
  • 1HELIOS St. Johannes Klinik Duisburg, Duisburg, Germany
  • 2Experimental and Clinical Research Center (ECRC), Kooperation zwischen Charité und Max-Delbrück-Centrum, Berlin, Germany

Fragestellung/Hintergrund: Aktivierende Mutationen der Gene ABCC8 und KCNJ11, die den ATP-abhängigen Kaliumkanal Kir6.2/SUR kodieren, sind die häufigste Ursache von transientem oder persistierendem, neonatalen Diabetes. Wenn die molekulare Diagnose eines Kir6.2/SUR gestellt wurde, wird ein Therapieversuch mit Glibenclamid empfohlen. Die KCNJ11 Mutation Val59Met wurde bisher bei Fällen mit neurologischer Beteiligung DEND-Syndrom (Developmental Delay, Epilepsy and Neonatal Diabetes) beschrieben. Können die Hinweise unterstützt werden, dass eine möglichst frühe Glibenclamidtherapie unabhängig vom Glukosestoffwechsel die neurologischen Symptome verbessern kann?

Fallbericht: Wir berichten über einen 2 Monate alten Säugling. Primärvorstellung in Duisburg bei Hämatemesis. In der BGA erhöhte Serumglukose (360 mg/dl) als Zufallsbefund. Anamnese: Unauffällige Patienten- und Familienanamnese. Zunächst intensivmedizinische Einstellung auf CSII-Pumpentherapie und zeitweiliges kontinuierliches Glukosemonitoring. Hierunter schwer einstellbar. Unmittelbare Einleitung einer umfassenden molekulargenetischen Diagnostik in Kooperation mit der Charité.

Methoden/Molekulare Diagnostik: Wir sequenzierten die kodierenden Exons sowie die Intron-Exon-Übergänge Kandidatengene für neonatalen Diabetes ABCC8, KCNJ11 sowie INS. Abgesehen von der heterozygoten KCNJ11-Mutation Val59Met wurde keine weitere, pathogene Variante gefunden.

Ergebnisse/Verlauf: Nach Erhalt der obigen Ergebnisse unmittelbare Umstellung auf Glibenclamid mit einer initialen Dosis von 3 × 0,4 mg per die4610 (etwa 0,26 mg/kgKG). Hierunter nahezu normoglykäme Einstellung innerhalb von Tagen. Dosis nach 12 Monaten 3 × 0,2 mg per die 10200(etwa 0,06 mg/kgKG). Beurteilungen mittels Bayley-Scale zu Beginn der Therapie und aktuell zeigen keinerlei neurologische Auffälligkeiten. HbA1c im Alter von 17 Monaten 5,8%. Keine Hypoglykämieneigung.

Schlussfolgerung: Der vorliegende Fall und erste entwicklungsneurologische Analysen von KCNJ11-DEND-Fällen zeigen, dass neurologische Symptome komplett oder partiell durch einen möglichst frühen Therapiebeginn mit Glibenclamid verbessert werden können (Shah et al, Diabetes Care 2012,35:2086 – 8). Daher empfehlen wir bei neonatalen Fällen mit anhaltender Hyperglykämie und der klinischen Diagnose „Neonataler Diabetes“ eine rasche, molekulargenetische Untersuchung bez. KCNJ11/ABCC8 Mutationen und eine unverzügliche Therapieumstellung auf Glibenclamid, falls DEND-assoziierte Mutationen (z.B. KCNJ11 Val59Met) vorliegen.