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DOI: 10.1055/s-0033-1341684
Beeinflusst die Entfernung zu Betreuungsangeboten Schulungen und Überweisungen von Typ 2-Diabetikern? Befunde aus dem Disease Management Programm (DMP) Diabetes mellitus Typ 2 in der Region Nordrhein
Fragestellung: Regionale Unterschiede in der Diabetesprävalenz, der Stoffwechseleinstellung und der medikamentösen Therapie sind in der Literatur dokumentiert. Auch innerhalb der Region Nordrhein bestehen hinsichtlich Schulungen und Überweisungen von Typ 2-Diabetikern Unterschiede. Untersucht wurde, ob hierfür unter Kontrolle relevanter Patientenmerkmale die Entfernung zu den nächstgelegenen diabetesspezifischen Betreuungsangeboten bedeutsam ist.
Population und Methoden: 2010 waren 449.444 Patienten in das DMP eingeschrieben (mittleres Alter: 67,6 ± 11,8 Jahre, mittlere Teilnahmedauer: 51,6 ± 28,6 Monate, Geschlecht: 50,1% weiblich), die von 5.030 Ärzten in 3.603 Praxen betreut wurden. Anhand des Praxisstandorts wurde die durchschnittliche Entfernung zu den jeweils fünf nächstgelegenen diabetologischen Schwerpunktpraxen (DSP), Fußambulanzen (Fa) bzw. Krankenhäusern mit diabetesspezifischen Betreuungsangeboten ermittelt. Zusätzlich wurden Cluster aus Regionen mit maximalen Entfernungsunterschieden berechnet (hierarchische Clusteranalyse). Der Einfluss der Entfernung auf eine Patientenschulung und eine Überweisung wurde demjenigen des Alters, Geschlechts, der Teilnahmedauer, Morbidität, fachärztlichen Betreuung und Qualitätszielerreichung im DMP gegenübergestellt (logistische Regression, Odds Ratios OR und 95%-Konfidenzintervalle CI).
Ergebnisse: Auf Kreisebene betrug die Entfernungsspanne 3,5 – 19,1 km (DSP) bzw. 4,6 – 27,1 km (Fa). Unter Berücksichtung der Betreuungsangebote in Krankenhäusern ließen sich die nordrheinischen Kreise in vier Cluster mit einer mittleren Distanz von je 10,3, 16,9, 23,4 und 27,3 km unterteilen. Eine hohe Entfernung erwies sich unter Kontrolle der oben genannten Faktoren für eine Schulungsempfehlung (OR 1,06; CI 1,04 – 1,08) bzw. -wahrnehmung (OR 0,93; CI 0,91 – 0,95) sowie eine Überweisung zur DSP (OR 0,96; CI 0,93 – 0,99) oder Fa (OR 0,83; CI 0,63 – 1,09) als sehr schwach oder unbedeutsam. Im Gegensatz hierzu waren ein hohes Alter (OR 0,57; CI 0,56 – 0,57) oder eine längere DMP-Teilnahme (OR 1,59; CI 1,54 – 1,62) für eine Schulungsempfehlung/-wahrnehmung bzw. eine hohe Komorbidität (OR 3,00; CI 2,92 – 3,09) für eine Überweisung (DSP) sehr bedeutsam. Lediglich für Fa-Überweisungen war eine hohe Clusterentfernung ein bedeutender Prädiktor (OR 0,25; CI 0,12 – 0,54).
Schlussfolgerungen: Trotz zum Teil beträchtlicher Unterschiede ist die Entfernung zu den nächstgelegenen Betreuungsangeboten für die Vorhersage des Schulungs- und Überweisungsverhaltens in der Region Nordrhein nahezu bedeutungslos. Neben patientenspezifischen Merkmalen spielt vermutlich hierfür die haus-fachärztliche und sektorenübergreifende Kooperation eine vielfach bedeutendere Rolle. Da allerdings die entsprechenden Angebote in Nordrhein meist sehr nahe um die Praxis liegen, in der die DMP-Patienten betreut werden, ist nicht auszuschließen, dass die Entfernung in stärker ländlich geprägten Regionen Deutschlands eine größere Bedeutung hat.