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DOI: 10.1055/s-0033-1341674
Klassifizierung des Diabetes mellitus im Kindesalter: eine diagnostische Herausforderung
Hintergrund: Die Klassifizierung des Diabetes mellitus ist bei der Manifestation im Kindesalter ist nicht nur für die Diagnosestellung wichtig. Das Verständnis der Pathophysiologie hat eine große Bedeutung für die Therapie und die Langzeitprognose. Eine genetische Diagnose sollte bei begründetem Verdacht erfolgen.
Fallvorstellung: Bei einer 12-jährigen adipösen Patientin (Gewicht 65,8 kg (über 97 P), Länge 159 cm, BMI 26 kg/m2 (97 P) wurde eine manifeste Hypothyreose (fT4 0,93 ng/dl, TSH 11,53µIU/ml) bei einer Hashimoto Thyreoditis (Mikrosomale SD-Peroxidase Antikörper 86,3 IU/ml) diagnostiziert. Anamnestisch fiel typische Symptomatik einer Hypothyreose mit Gewichtszunahme, Müdigkeit, Kälteempfindlichkeit seit 6 Monaten auf. Der HbA1c Wert lag bei 6,8%.
Familienanamnese: Der Vater, zu dem es kein Kontakt mehr besteht, leidet an Hyperthyreose. Anamnestisch wurde bei ihm eine Blutzuckererhöhung beschrieben eine Behandlung war aber nicht notwendig.
Verlauf: Die im Tagesprofil gemessenen Glukosewerte zeigten erhöhte Nüchternwerte (maximal 131 mg/dl). Der 2h-Glukosewert bei oralem Glukosetoleranztest fiel mit 211 mg/dl pathologisch aus. Aufgrund der Schilddrüse-Autoimmunität war von einem Typ 1 DM auszugehen. Trotzdem wurde gegen einer Insulintherapie entschieden. Aufgrund der Adipositas wurde ein DM Typ 2 auch in Erwägung gezogen. Es erfolgte eine Ernährungsberatung sowie eine Anleitung zur Steigerung der körperlichen Aktivität zur Gewichtsreduktion. Eine L-Thyroxin Substitution wurde begonnen.
Nach 8 Wochen blieb der HbA1c Wert bei 6,8%, die Glukosewerte zeigten weiterhin eine milde Hyperglykämie. Bei negativen Diabetes-spezifischen Antikörpern erschien die Diagnose eines DM Typ 1 sehr unwahrscheinlich.
Im Verlauf wurde eine molekulargenetische Untersuchung durchgeführt. Eine Deletion des Glukokinase Gens (Maturity onset diabetes of the young, MODY 2) im heterozygoten Status wurde festgestellt. Es handelt sich um eine bislang nicht beschriebene Veränderung.
Patienten mit Mutationen im Glukokinase Gen entwickeln infolge verminderter Sensitivität der Beta-Zellen gegenüber Glucose eine milde und über Jahre stabile Hyperglykämie und sehr selten diabetische Spätkomplikationen.
Eine Beta-Zell-Erschöpfung auch im langen Verlauf ist unwahrscheinlich. Eine Progression zu höheren Glucosekonzentrationen mit einer hochgradig eingeschränkten Insulinsekretion wird nicht beobachtet. Daher ist mit Spätkomplikationen sehr selten zu rechnen. Patienten mit MODY 2 bedürfen, insbesondere im Kindesalter, häufig keiner medikamentösen Therapie.
Schlussfolgerung: Bei Patienten ohne Antikörper bei Manifestation, mit positiver Familienanamnese für Diabetes und niedrigem Insulinbedarf ist eine molekulargenetische Diagnostik auf MODY indiziert. Eine erhöhte Sensibilisierung und bessere Beobachtung der klinischen Parameter ermöglicht eine frühe molekulargenetische Untersuchung und Diagnose sowie eine adäquate Therapie.