Gesundheitswesen 2013; 75 - P59
DOI: 10.1055/s-0033-1337590

Bleiweiß als toxische Farbe für Wohngebäude – langer Weg zum Gesundheitsschutz

BP Zietz 1, W Müller 1
  • 1Akademie für öffentliches Gesundheitswesen, Düsseldorf

Bleiweiß als Pigment für Farben ist über viele Jahrhunderte hergestellt und verwendet worden. Seine toxische Wirkung bei Aufnahme wurde schon im 2. Jahrhundert n. Chr. von Nicander beschrieben.

Die Diskussion um seine Toxizität und entsprechend seit dem 19. Jahrhundert eingeführte Verwendungsbeschränkungen sind ein interessantes didaktisches Beispiel für die Entwicklung des internationalen Gesundheitsschutzes und der Umweltmedizin. Wichtige Faktoren in diesem Prozess waren hierbei neben wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Möglichkeiten der Analytik auch Lobbyarbeit, Informationsverbreitung sowie gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Bedingungen. Dieses hatte sowohl Einfluss auf die Risikowahrnehmung und Risikoakzeptanz als auch die gesetzlichen Regelungen.

In Europa, Australien und Nordamerika gab es hierbei ganz unterschiedliche Entwicklungen. In verschiedenen europäischen Ländern führten zahlreiche Bleivergiftungsfälle von Arbeitern und Handwerken Anfang des 20. Jahrhunderts zu verschiedenen Verwendungsbeschränkungen und Verboten von Bleiweiß, z. B. für Innenräume. Bleiintoxikationen bei Kindern in Queensland (Australien), die auf die Verwendung von bleihaltiger Farbe im Haushalt zurückgeführt wurden, sind schon seit 1904 in australischen Publikationen beschrieben und in der Folge eingehend untersucht worden. In den USA führte u. a. auch die Intervention der Industrie dazu, dass 1921 auf der „White Lead Convention Conference” kein Verbot von Bleiweiß für Innenraumfarben in den USA erwirkt werden konnte. In der Werbung wurde das Bleipigment dort in den folgenden Jahren weiter als Qualitätsmerkmal für Wohngebäudefarben angepriesen. In den 1950iger und 1960iger Jahren fielen dann lokal unterschiedlich viele akute Bleivergiftungen bei Kindern auf, die alternde Farbpartikel aufgenommen hatten. Dies führte dann zusammen mit neuen Erkenntnissen auch in den USA zu regulatorischen Maßnahmen. Neue Erkenntnisse hatten schließlich eine Erweiterung des Krankheitsbildes mit vielen neuen Betroffenen zur Folge.