Gesundheitswesen 2013; 75 - P38
DOI: 10.1055/s-0033-1337570

Impfaufklärung ohne Chance? Denialistische Argumentationsmuster beim Impfen

J Kuhn 1, G Hölscher 1, R Schulz 1, M Ludwig 1, A Schmidt 1, U Nennstiel-Ratzel 1
  • 1Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Oberschleißheim

Hintergrund: Die Impfmotivation der Bevölkerung ist insgesamt sehr gut, vor allem, was die von der STIKO empfohlenen Impfungen für Kinder angeht. Die Impfraten liegen hier bei den wichtigsten eingeführten Impfungen bei ca. 95%. Alle Impfungen können unerwünschte Wirkungen haben. Das Impfen muss daher mit einer fundierten Impfaufklärung verbunden sein. Allerdings stößt dieses Bemühen in bestimmten Milieus auf unüberwindliche Hürden, weil dort die Sinnhaftigkeit des Impfens an sich bestritten wird. Dabei lassen sich denialistische Argumentationsstrukturen identifizieren, wie sie auch im Umgang mit wissenschaftlicher Evidenz in anderen hochemotionalisierten Bereichen zu beobachten sind. Der Vortrag stellt dazu einige empirische Befunde vor und stellt diese zur Diskussion.

Methoden: Eine Abschätzung der Prävalenz grundsätzlicher Impfgegnerschaft wird anhand der Befragung von Eltern bei der Schuleingangsuntersuchung vorgenommen. Denialistische Argumentationsmuster werden aus einer Durchsicht von Internetforen anhand eines pragmatischen Ordnungsschemas (nach Diethelm/McKee) zusammengestellt.

Ergebnisse/Diskussion: In Bayern geben insgesamt 1,4% der Eltern von Einschulungskindern an, dass sie alle Impfungen ablehnen bzw. das Kind aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden könne. Die erheblichen regionalen Unterschiede bei diesen Angaben zeigen, dass der Anteil der aus medizinischen Gründen nicht zu impfenden Kinder wohl unter diesem Durchschnittswert liegt. Der höchste Wert liegt mit 5,7% in einem Landkreis Südbayerns vor, der niedrigste Wert liegt bei Null. Die regionalen Raten der Impfablehnungen korrelieren positiv mit Wohlstandsindikatoren. Es gibt Hinweise auf Zusammenhänge mit regionalen Weltanschauungsgemeinschaften. Die Analyse von einschlägigen Internetforen zeigt, dass sich die von Diethelm/McKee beschriebenen Muster denialistischen Argumentierens auch beim Impfen finden und die einschlägigen Foren eine stabilisierende Funktion für die impfskeptischen Gruppen spielen. Erfolgreiche „Debriefing-Strategien“ zum Umgang mit denialistischen Strukturen konnten nicht identifiziert werden. Eine rationale Impfaufklärung bleibt eine – eingeschränkt wirksame – Handlungsoption.