Gesundheitswesen 2013; 75 - V6
DOI: 10.1055/s-0033-1337457

Amtsärztliche Gutachten zur Erwerbsfähigkeit im Rahmen von SGBII

F Jung 1
  • 1Gesundheitsamt, Sozialmedizinischer Dienst und Gesundheitsberichterstattung, Bremen

Das Bremer Gesundheitsamt führt im Auftrag der Jobcenter Gutachten zur Leistungs- und Erwerbsfähigkeit nach dem SGBII durch.

Acht Monate lang (2011/2012) wurden alle eingehenden Gutachtenaufträge – insgesamt ca. 400 – in Hinblick auf die Sozialdaten der zu begutachtenden Personen, der medizinischen Diagnosen, der Bewertung der Leistungs- oder Erwerbsminderung ausgewertet. Zudem bewerteten die Gutachter/innen, ob die medizinische Fragestellung der Problematik der Begutachteten angemessen war.

Mehr als 80% der Gutachten wurden als medizinisch oder zumindest teilweise medizinisch begründbar eingestuft. Bei der Mehrheit der begutachteten Personen wurden eindeutig medizinische Befunde diagnostiziert, nicht selten sogar Doppel- oder Mehrfachbefunde. Bei 70% der Begutachteten wurden erhebliche Einschränkungen oder ein aufgehobenes Leistungsvermögen attestiert.

Das Krankheitsspektrum konzentriert sich stark auf psychische Erkrankungen (60% der Begutachteten) und auf Erkrankungen des Muskel und Skelettsystems (50% der Begutachteten). Endokrine-, Ernährungs- und Stoffwechselerkrankungen werden ebenfalls relativ häufig diagnostiziert bei jeweils ca. einem Fünftel der Begutachteten.

Die Sozialdaten sowie die weiteren dokumentierten sozialen Einschränkungen bei 50% der Begutachteten legen die Vermutung nahe, dass ein erheblicher Teil der Lebensverläufe, die zur Minderung oder Aufhebung der beruflichen Leistungsfähigkeit aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen führen, bereits vor Beginn eines beruflichen Werdegangs von deutlicher sozialer Benachteiligung geprägt waren. Bei einem hohen Stand der Arbeitslosigkeit in der Bevölkerung ist beispielsweise ein erfolgreicher Einstieg in den Arbeitsmarkt mit geringer Bildung erschwert.

Ein überdurchschnittlicher Teil der Begutachteten – gemessen am Bevölkerungsdurchschnitt – weist eine schlechte schulische Bildung (50% Hauptschulabschluss oder ganz ohne Schulabschluss), fehlende Berufsabschlüsse (50% ohne Berufsausbildung) oder einen Migrationshintergrund (45%) auf. Als weitere soziale Einschränkungen für den Arbeitsmarkt, wurden Hemmnisse wie Minderbegabung, Versorgung von Minderjährigen oder zu pflegende Angehörige oder sonstige Einschränkungen der sozialen Fähigkeiten genannt.

Aus sozialmedizinischer Sicht wird wieder einmal deutlich, wie eng soziale Lage und Gesundheitszustand miteinander verbunden sind.