Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P60
DOI: 10.1055/s-0033-1337201

Serielle Prozessierung vibrotaktiler Reize im humanen somatosensorischen Kortex

C Kalberlah 1, A Villringer 1, 2, 3, B Pleger 1, 2, 3
  • 1Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften, Neurologie, Leipzig, Deutschland
  • 2Tagesklinik für Kognitive Neurologie, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Deutschland
  • 3Mind and Brain Institut, Humboldt-Universität, Berlin, Berlin School of Mind and Brain, Berlin, Deutschland

Einleitung:

Der humane primäre (S1) und sekundäre somatosensorische Kortex zeichnen sich durch eine hohe Antwortspezifität bezüglich des Ortes sowie der Frequenz von taktilen Reizen aus. Neuere Studien belegen, dass S1 vorrangig Sensitätivät bezüglich des Reizortes (Jack et al. 1994; Gelnar et al. 1998; Maldjian et al. 1999; Kurth et al. 2000; Nelson & Chen 2008; Ruben et al. 2001; Schweizer et al. 2008), S2 dagegen bezüglich der Reizfrequenz (Salinas et al. 2000; Li Hegner et al. 2007, 2010; Spitzer et al. 2010) aufweist. Ebenso konnte in mehreren humanen Studien die serielle Transduktion der taktilen Information aus dem Thalamus von S1 nach S2 belegt werden (Schnitzler et al. 1999; Inui et al. 2004; Hu et al. 2012). Dem entgegen steht eine kürzlich erschienene Studie (Liang et al. 2011), in der mithilfe funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT) in Kombination mit dynamic causal modeling (DCM) postuliert wird, dass die Weiterleitung somatosensorischer Information parallel auf S1 und S2 und nicht seriell erfolgt.

Aufgrund der kontroversen Ergebnisse der zuletzt genannten Studie (Liang et al., 2011), haben wir in unserer DCM/fMRT Studie die Spezialisierungen im humanen somatosensorischen Kortex sowie die effektive Konnektivität der funktionellen Untereinheiten erneut untersucht.

Material/Methode:

14 Probanden wurden mittels fMRT untersucht, während zwei unterschiedliche taktile Muster diskriminiert werden sollten. Die applizierten Reize wurden bezüglich des Reizortes (Finger der rechten Hand: Index bzw. Digitus minimus) sowie der Vibrationsfrequenz (30 bzw. 200 Hz) variiert. Die Auswertung der Bildgebungsdaten erfolgte mittels Statistic Parametric Mapping (SPM 8). Zum Vergleich der Güte verschiedener Modellfamilien, die die Spannbreite von serieller bis hin zu paralleler Informationsprozessierung nachzeichneten, wurde zusätzlich die eingebaute Funktionalität von DCM und des Bayesschen Modellvergleichs verwendet.

Ergebnisse:

Der Bayessche Modellvergleich favorisierte eindeutig die serielle Informationsübertragung im Vergleich zu parallelen oder semi-parallelen Modellen (exceedance probability > 99%, siehe Abbildung). Die Upstream-Verbindungen wiesen einheitlich signifikante exitatorische Einflüsse auf die Zielknoten auf (p < 0,05; t-test).

Diskussion:

Durch die systematische Variation der Informationsübertragung in den Modellen des DCM ermöglichte diese Studie eine direkte Schlussfolgerung bezüglich der Fragestellung zu serieller versus paralleler Informationsprozessierung. Im Gegensatz zu der DCM/fMRT Studie von Liang et al. (2011) unterstützen unserer Ergebnisse die geläufige Meinung einer seriellen Informationsverarbeitung im somatosensorischen System und damit die Aussagekraft von DCM in der Anwendung auf humane fMRT-Daten.

Referenzen:

Gelnar et al., 1998. Neuroimage. 7:261 – 283.

Jack et al., 1994. Radiology. 190:85 – 92.

Kurth et al., 2000. Neuroreport. 11:1487 – 1491.

Li Hegner et al., 2010. J Neurophysiol. 103:3115 – 3122.

Li Hegner et al., 2007. J Neurophysiol. 97:264 – 271.

Liang et al., 2011. J Neurosci. 31:8976 – 8985.

Maldjian et al., 1999. Neuroimage. 10:55 – 62.

Nelson & Chen, 2008. Cereb Cortex. 18:2341 – 2351.

Ruben et al., 2001. Cereb Cortex. 11:463 – 473.

Salinas et al., 2000. J Neurosci. 20:5503 – 5515.

Schweizer et al., 2008. Neuroimage. 42:28 – 35.

Spitzer et al., 2010. J Neurosci. 30:4496 – 4502.