Klinische Neurophysiologie 2013; 44 - P46
DOI: 10.1055/s-0033-1337187

Untersuchungen funktioneller Auswirkungen humaner Nervenwasserproben auf neuronale Netzwerkaktivität

M Dihné 1
  • 1Universität Tübingen, Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie & Hertie Institut für Klinische Hirnforschung, Tübingen, Deutschland

Einleitung: In den letzten Jahren konnten wir zeigen, dass humane Nervenwasserproben von Kontrollpersonen eine aktivitätsunterstützende Wirkung auf neuronale Netzwerkaktivität ausüben, welche in vitro aus neuralen Populationen von Nagetieren oder humanen induzierten pluripotenten Stammzellen (hiPS Zellen) generiert wird (in vitro-neuronal network activity = ivNNA). Im Gegensatz dazu zeigte sich, dass Nervenwasserproben von Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und NMDA-Rezeptor-Enzephalitis (NMDARE) Patienten die ivNNA hinsichtlich verschiedener Parameter supprimiert. Die Rationale dieser Experimente stellt das bekannte Phänomen dar, dass die Zusammensetzung des Nervenwassers Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung, die Neurogenese und das Verhalten hat. Möglich sind diese Effekte durch einen bi-direktionalen Austausch neuroaktiver Substanzen des interstitiellen Raumes im Gehirnparenchym und des Nervenwassers über das Ependym, womit ein funktioneller Kontakt zwischen Nervenwasser und Parenchym gegeben ist und wiederum die Zusammensetzung des Nervenwassers in gewissen Grenzen die der interstitiellen Flüssigkeit wiederspiegelt und somit deren funktionelle Auswirkungen auf das Gehirnparenchym über eine indirekte Untersuchung des Nervenwassers überprüft werden können. Kenntnisse über die funktionellen Auswirkungen des Nervenwassers auf neurale Netzwerkaktivität, insb. unter pathologischen Bedingungen, sind völlig neu und sollen helfen potentiell reversible Pathologien zu erkennen und ggf. neue Behandlungsstrategien zu entwerfen.

Material/Methoden: Das Substrat für die elektrophysiologisch gemessene ivNNA entsteht durch synaptische Vernetzung neuronaler Populationen aus Nagetieren oder vom Mensch (generiert aus hiPS Zellen). Deren elektrophysiologische Ableitung geschieht mittels der Mikroelektroden Array (MEA) Technologie.

Ergebnisse: Nervenwasser von SHT Patienten supprimiert globale Aktivitätsparameter und die Synchronizität der ivNNA. Eine Fraktion innerhalb des Nervenwassers, welche aus kleinen, am NMDA Rezeptor modulierend wirkenden Peptiden (< 3,5kDa, Glycin, Serin, Alanin, Glutamat) besteht, verursacht ggf. diese Effekte, welche über NMDA Rezeptor Antagonisten antagonisiert werden können [1]. Nervenwasser von NMDARE Patienten supprimiert lediglich globale Aktivitätsparameter [2]. Es konnte zudem auch gezeigt werden, dass humane neurale Populationen in vitro, generiert aus hiPS, unter dem Einfluss von Nervenwasserproben hinsichtlich ihrer ivNNA unterstützt werden.

Diskussion: Die Bedeutung pathologisch veränderten Nervenwassers würden dann über das passive Anzeigen von z.B. entzündlichen oder degenerativen ZNS Prozessen hinausgehen. Durch die weiträumige Verteilung neuroaktiver Substanzen innerhalb des ZNS, würde es in der Lage sein aktiv akute oder sogar chronische funktionelle Störungen globaler Gehirnaktivität auszulösen [3].

Literatur:

1. Otto F....Dihné. Cerebrospinal fluid of brain trauma patients inhibits in vitro neuronal network function via NMDA receptors. Ann Neurol. 2009;66:546 – 555

2. Jantzen S....Dihné. In vitro neuronal network activity in NMDA receptor encephalitis. minor revision

3. Hartung HP, Dihne M. Volume transmission-mediated encephalopathies: a possible new concept? Arch Neurol. 2012;69:315 – 321