PSYCH up2date 2014; 8(02): 65
DOI: 10.1055/s-0033-1336922
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Endlich: Psychosomatische Institutsambulanzen!

Further Information

Publication History

Publication Date:
05 March 2014 (online)

Seit über 30 Jahren gibt es psychiatrische Institutsambulanzen (PIA) und es ist nicht verfehlt, diese als Erfolgsmodell der sektorübergreifenden Versorgung zu bezeichnen: Entsprechend der gesetzlichen Vorgabe können Patienten, die nach Art, Schwere und Dauer der Erkrankung in Gefahr stehen, regelmäßig stationär aufgenommen zu werden, oder die keinen Facharzt in der Nähe haben, mittels eines flexiblen, interdisziplinären Behandlungsansatzes in der psychiatrischen Klinik oder in der Fachabteilung eines Krankenhauses adäquat ambulant versorgt werden.

Auch auf psychosomatischem Fachgebiet gibt es Patienten, für die die Angebote der niedergelassenen Psychotherapeuten nicht ausreichend sind, die aber auch keiner längerfristigen Hospitalisierung bedürfen. Es handelt sich dabei – anders als bei typischen PIA-Patienten – nicht um Patienten mit langfristigen Störungen der F2x-Gruppe des ICD-10, sondern z. B.

  • um Schmerzpatienten mit Migrationshintergrund,

  • um stark übergewichtige Patienten mit einer Binge-Eating-Störung oder

  • um Patienten mit schweren Anpassungsproblemen oder problematischen Komorbiditäten, wie z. B. manipulativem Krankheitsverhalten bei Diabetes in Kombination mit einer Essstörung.

Neben dem relativ hohen Bedarf an Psychotherapie mit somatischer Kompetenz ergibt sich für diese Patienten häufig das Problem, dass sich kein niedergelassener Psychotherapeut mit den entsprechenden Fachkompetenzen bzw. der Bereitschaft zur Therapie findet oder patientenseitig noch keine Motivation zur Psychotherapie besteht.

Einige psychosomatische Fachabteilungen und Kliniken haben die Chance, diese Patienten über eine psychosomatische PIA zu versorgen, aktiv gesucht und umgesetzt, wobei eine enge und vertrauensvolle Kooperation mit der örtlichen Psychiatrie praktisch immer die Voraussetzung war. Mitte 2012 hat auch der Gesetzgeber die Möglichkeiten und Sparpotenziale einer psychosomatischen PIA – für die sich mittlerweile das Akronym PSIA verbreitet hat – für förderungswürdig erachtet und deren Einrichtung im Rahmen des Entgeltgesetzes über eine Ergänzung des § 118, SGB V ermöglicht.

Soweit man von den existierenden PSIAs auf die zukünftigen Schwerpunkte und Arbeitsmethoden schließen kann, liegen diese im Bereich von Gruppentrainings und interdisziplinären Angeboten ergänzender Verfahren. Schmerz-, Krankheitsbewältigungs- und Stabilisierungsgruppen bilden häufig das Rückgrat einer PSIA, wobei einzeltherapeutische Angebote und Angebote z. B. durch Sozialpädagogen oder Ergotherapeuten den individuellen Therapieplan vervollständigen. Eine große Verbesserung der Versorgung kann für Diagnosegruppen bewirkt werden, die andernorts kaum ein passendes Behandlungsangebot finden, wie z. B. Patienten vor und nach bariatrischer Operation, posttraumatisch erkrankte Patienten mit Typ-2-Trauma oder Patienten mit progredienten körperlichen Erkrankungen.

Zurzeit wird zwischen den Vertragspartnern – d. h. der DKG für die Krankenhäuser, der GKV für die Krankenkassen und der KBV für die Vertragsärzte – eine Vereinbarung verhandelt, die analog zur PIA-Rahmenvereinbarung das Leistungsangebot, die Diagnosegruppen und den Zugang zur PSIA regeln soll, wobei der Umsetzung der regionalen Versorgungsverpflichtung besonderes Augenmerk zukommt. Dabei wird darauf geachtet, keine Doppelstrukturen zu schaffen und den bisherigen Indikationsbereich der PIAs unverändert zu lassen.

Psychosomatische Institutsambulanzen können damit

  • eine wichtige Lücke zwischen der Richtlinienpsychotherapie und der stationären Versorgung psychosomatisch Kranker schließen,

  • aufgrund ihres relativ niederschwelligen Versorgungsangebots helfen, eine somatische Iatrogenisierung und Fehlbehandlung zu verhindern und

  • beim Patienten die notwendige Motivation für eine weiterführende Psychotherapie initiieren.

PIAs und deren langjährige Weiterentwicklung durch engagierte psychiatrische Kolleginnen und Kollegen werden dabei als wichtiges Vorbild dienen.

Burkard Jäger, Martina de Zwaan