Zeitschrift für Palliativmedizin 2013; 14(3): 106
DOI: 10.1055/s-0033-1335927
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Buchbesprechung – Psychoonkologie. Grundlagen und psychotherapeutische Praxis

Manfred Gaspar
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Publikationsdatum:
24. Juni 2013 (online)

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Unprätentiös wie sein Titel präsentiert sich ein gewichtiges Werk als Handbuch für „Grundlagen und psychotherapeutische Praxis“. Erklärtes und erreichtes Ziel des Herausgebers Frank Schulz-Kindermann ist es, erstmalig ein Buch vorzulegen, „das grundsätzlich in onkologische Krankheits- und Behandlungsphasen gegliedert ist. Die Auseinandersetzung mit diesen essentiellen Phasen und Möglichkeiten des psychotherapeutischen Verstehens und Handelns bilden den ‚Kern des Buches‘. Besonders am Herzen liegt Schulz-Kindermann, der seit 25 Jahren psychologisch mit lebensbedrohlich Kranken arbeitet, die Rolle der Erkrankung in ihrem ganzen Verlauf zu sehen, und sie nicht an irgendeinem Punkt dieses Verlaufs, z. B. hinsichtlich einer psychischer Störung zu beurteilen.

Acht Autoren konnte der Herausgeber gewinnen, allesamt berufene bis herausragende Vertreter des Faches: Heike Berger, Pia Hoffmann, Gisela Huse-Kleinstoll, Klaus Lang, Anja Mehnert, Luise Reddemann, Heike Schieder und Rainer Simeit. Das Buch gliedert sich auf 408 Seiten in 3 Teile und 19 Kapitel. Der erste Teil beinhaltet medizinische Grundlagen. Am Beginn steht die lapidar anmutende und wichtige Frage: „Was ist Krebs?“, gefolgt von onkologischen Therapiemöglichkeiten und onkologischen Behandlungsstrategien. Im Mittelteil werden psychoonkologische Grundlagen erörtert, als da sind Krebs und Psyche, Auseinandersetzung mit Krebs, Grundlagen und Besonderheiten psychoonkologischer Intervention, unterschiedliche Settings, psychoonkologische Arbeit, psychoonkologische Diagnostik, psychoonkologische Arbeit mit Familien, mit Paaren und mit Gruppen. Im dritten Teil geht es dann um die psychoonkologische Begleitung im Krankheits- und Behandlungsverlauf von der Diagnosestellung über die Erstbehandlung, die Remission, das Rezidiv, die palliative Phase bis hin zu Sterben, Tod und Trauer und – sinnfällig zuletzt – „endlich leben: Krebs und die Suche nach Sinn“. Jedes Kapitel enthält mit einem Ausrufezeichen versehene Merksätze, die komprimiertes Lehrbuchwissen bündeln. So heißt es im Kapitel 4 zu onkologischen Behandlungsstrategien: „Palliative Tumortherapie ist nicht gleichzusetzen mit dem Begriff der Palliativmedizin, auch wenn sie ein wichtiger Teil davon sein kann“. In Kapitel 17 dann, das die palliative Phase umfasst, heißt es zum einen: „In der psychoonkologischen Arbeit geht es darum, dieses nicht wahrhaben wollen auszuhalten, jede Form von Hoffnung zu unterstützen und dabei darauf zu vertrauen, dass die Patienten einen Weg (der möglicherweise in ihr Sterben mündet) finden werden“. Unterfüttert werden diese Leitsätze durch eine große Zahl von Kasuistiken, hier Beispiele genannt. Exemplarisch sei aus der „palliativen Phase“ die „Zumutung des Loslassen“ zitiert: „Herr T. hat bereits 1 Jahr nach seiner Ersterkrankung an einem Prostatakarzinom ein massiv metastasiertes Rezidiv. Er ist selbst Allgemeinmediziner, sein bester Freund ist Urologe. Herr T. erfüllt vor allem maßlose Wut über dieses Rezidiv. Die vielfältigen Anstrengungen seines Freundes, ihn in der Großstadt der bestmöglichen Behandlung zuzuführen, machen alles nur noch schlimmer. Man kennt ihn in der Stadt, vor allem im Kollegenkreis, man bedauert ihn, auch weil er noch kleine Kinder hat. Das, was er nun erwarten würde, nämlich eine einfühlsame, behutsame, aber doch ‚zielführende‘ Behandlung, erlebe er nicht. Im Gegenteil: Er wird wiederholt mit unangemessenen Reaktionen seiner Kollegen konfrontiert, die ihn immer wieder mahnen, nun doch loszulassen und seine Kinder auf seinen Tod vorzubereiten. Darüber ist er maßlos enttäuscht, gekränkt und wütend. Aufgebracht äußert er: ‚Behandelt mich nicht, als sei ich bereits gestorben, ich laufe innerlich bereits auf dem Friedhof herum‘. Als er überlegt, wieder in seine Sprechstunde zu gehen und auch neue Patienten aufzunehmen, bricht seine Frau in schallendes Lachen aus.“

Diese Beispiele bilden dann elementare und wertvolle Grundlagen für Deutungen, Interpretationen und Möglichkeiten zielgerichteter Interventionen. Abgerundet werden die für fachlich versierte wie für lernende Leser gleichermaßen wertvollen Ausführungen durch ein Glossar medizinischer Fachbegriffe, ein umfangreiches Literaturverzeichnis sowie eine Checkliste zur Erstellung eines Mehrgenerationen-Genogramms. Auch wenn Geleitworte als autochthone Lobeshymnen verstanden werden können, ist den Worten von Uwe Koch nichts hinzuzufügen: „Was das Buch so lesenswert macht, ist die erlebbare therapeutische Hingabe von Frank Schulz-Kindermann und seinen Kolleginnen und Kollegen sowie die Anschaulichkeit in der Gestaltung der einzelnen Beiträge“.

 
  • Literatur