Z Gastroenterol 2013; 51(4): 339-340
DOI: 10.1055/s-0033-1335225
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

50 Jahre ZfG

T. Seufferlein
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
12. April 2013 (online)

Liebe Leserinnen und Leser der ZfG,

Sie halten heute eine besondere Ausgabe der ZfG in Händen, unsere Zeitschrift für Gastroenterologie wird 50 Jahre!

Im Januar 1963 verfasste Norbert Henning, ordentlicher Professor für Innere Medizin an der Universität Erlangen, das erste Editorial der ZfG. Henning hatte bereits 1935 ein Lehrbuch der Gastroskopie und 1949 ein Lehrbuch der Verdauungskrankheiten geschrieben und war von 1953 – 1955 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. In seinem Editorial schildert er die Beweggründe für die Gründung der ZfG. Hauptbeweggrund war die Sorge um den wissenschaftlichen und klinischen Niedergang der deutschen Gastroenterologie – oder Verdauungspathologie, wie Henning es damals bezeichnete. Vorbei waren die Zeiten, als durch Persönlichkeiten wie Kussmaul, Frerichs, Boas, Ewald, Naunyn, Billroth oder von Bergmann die Entwicklung des Fachgebiets der Verdauungskrankheiten aus dem deutschsprachigen Raum auch international wesentlich vorangetrieben wurde. In den 50er- und 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts befand sich die Gastroenterologie im klinischen wie im wissenschaftlichen Bereich in der Bundesrepublik in einer schwierigen Situation. 1949 wurde der Facharzt für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten im Bundesgebiet abgeschafft, was ein nachlassendes Interesse an der Ausbildung im Gebiet zur Folge hatte. Die Physiologie wandte sich in der Forschung anderen Gebieten zu und es gab kein deutschsprachiges Publikationsorgan, das klinische und Grundlagenforschung im Bereich der Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten abbildete. Daher entstand die Idee, eine Zeitschrift zu gründen, die ein „Zentrum eines Gedankenaustausches für die forschend und praktisch tätigen Gastroenterologen“ bildet und ein Organ darstellt, das „imstande ist, mit den Forschergruppen anderer Länder wieder in friedlichen Wettstreit zu treten“, so Henning in seinem Editorial. Dies ist mit der Gründung der ZfG gelungen, denn die Zeitschrift hat seit 50 Jahren Bestand und ihren festen Platz in der Gastroenterologie im deutschsprachigen Raum.

In den letzten 50 Jahren hat sich in der Gastroenterologie viel bewegt. Das Fachgebiet hat sich in allen Bereichen rasant entwickelt und umfasst heute klinisch und wissenschaftlich ein Spektrum, das in seiner Gesamtheit schwer übersehbar ist. Einen Teil dieser Entwicklungen lassen in der aktuellen Ausgabe prominente Mitglieder unserer Fachgesellschaft, E. F. Stange für die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, M. M. Lerch für die chronische Pankreatitis und M. P. Manns für die Hepatologie, für Sie Revue passieren. Zum Vergleich von Einst und Jetzt erhalten Sie eine der ersten Arbeiten in der ZfG, eine Übersichtsarbeit zur chronischen Pankreatitis von Haemmerli und Hefti im Nachdruck. Diese Arbeit zeigt, dass das Verständnis mancher Erkrankungen der Gastroenterologie im Jahr 1963 auch aus heutiger Sicht beachtlich war.

Die rasante Entwicklung in der Gastroenterologie, insbesondere im wissenschaftlichen Bereich, spiegelt sich auch in der Gründung immer neuer Zeitschriften mit gastroenterologischem Schwerpunkt wider, zuletzt durch die europäische Fachgesellschaft UEG. Diese Zeitschriften müssen sich in der Kompetition um Impact-Punkte profilieren und positionieren. Die Position der ZfG ist dabei klar: Wir sind Organ unserer Fachgesellschaft. Die ZfG will wissenschaftlich interessante Beiträge aus dem gesamten Spektrum der Gastroenterologie veröffentlichen, aber auch Forum für alle Gastroenterologen im deutschsprachigen Raum sein. Die ZfG will jungen Gastroenterologen ermöglichen, ihre erste Originalarbeit oder Kasuistik in einer wissenschaftlichen Zeitschrift zu publizieren und viele namhafte Gastroenterologen sind diesen Weg gegangen. Dieses Ziel lässt sich aber nicht mit einer vorrangigen Maximierung des Impactfaktors vereinbaren.

Gastroenterologie ist heute wie zu der Zeit von Henning mit zahlreichen berufspolitischen Problemstellungen konfrontiert. Eine davon ist die zunehmende Kommerzialisierung der Medizin, die unsere Sicht von Krankheit und Therapie verändert. Es seien nur Begriffe wie Gesundheitsmarkt, Gesundheitsdienstleister oder DRG-erlösorientierte Personalplanung im Klinikbereich genannt. Die Einführung der DRGs, die die explodierenden Kosten im Gesundheitswesen begrenzen sollte, hat diese Entwicklung nolens volens beschleunigt. Dadurch entsteht die Gefahr einer nosologischen Timokratie, d. h. nur Krankheiten mit einem attraktiven DRG-Erlös sind „gute“ Krankheiten, in deren Diagnostik und Therapie es sich lohnt zu investieren und nur diejenigen, die solche Erkrankungen behandeln, sind „gute“ Ärzte. Viele Erkrankungen im Bereich der Verdauungs- und Stoffwechselorgane sind nach dieser Definition keine „guten“ Krankheiten, kommen aber häufig vor. Die ZfG möchte eine Plattform für die Diskussion dieser Tendenzen sein und dazu beitragen, diese Entwicklung zu korrigieren.

Qualitätssicherung ist heute auch aus dem Medizinbetrieb nicht mehr wegzudenken, findet aber auf unterschiedlichen Ebenen statt. Die Gastroenterologie hat sich sehr früh bemüht, durch die Erstellung interdisziplinärer Leitlinien Qualitätssicherung auf höchstem Niveau zu betreiben. Die ZfG trägt sehr gerne durch Publikation der Leitlinien zur Erfüllung dieses Zieles bei.

Zahlreiche Erkrankungen in der Gastroenterologie werden heute ambulant behandelt, obwohl das Statement, die Gastroenterologie sei ein ambulantes Fach geworden, falsch ist, wie Klinikärzte bestätigen können. Wir brauchen aber den sektorübergreifenden Dialog, um die Gastroenterologie im Sinne unserer Patienten weiterzuentwickeln. Daher war es wichtig, die Mitteilungen der unterschiedlichen Sektoren in der gastroenterologischen Versorgung in Deutschland, der DGVS als wissenschaftlicher Muttergesellschaft, dem BVGD als berufspolitischem Verband und dem bng als Interessenvertretung der niedergelassenen Kollegen, in der ZfG zu bündeln.

Mein Vorgänger im Amt des Herausgebers der ZfG und zugleich ehemaliger Chef Guido Adler hat die Aufgabe der ZfG, wie ich finde, sehr prägnant definiert: Sie soll „das Wellness-Journal für die Gastroenterologie“ (im besten Wortsinn) sein, eine modernere, aber inhaltlich durchaus kongruente Formulierung zur Vision von Henning eines „Zentrums des Gedankenaustausches für die forschend und praktisch tätigen Gastroenterologen“. Ich und mein Team möchten diesem Anspruch auch in den kommenden Jahren gerecht werden, danken Ihnen für Ihr Interesse an der Zeitschrift und freuen uns über Lob und Kritik.

In diesem Sinne viel Spaß beim Lesen der ZfG und ad multos annos!

Herzlicher Gruß,

Ihr

Thomas Seufferlein

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T. Seufferlein