Suchttherapie 2012; 13 - A8
DOI: 10.1055/s-0032-1330977

Von den Spielarten klinischer Praxis zur Evidenz – Pharmakologische Strategien im Alkoholentzug

M Schäfer 1, U Bonnet 1, D Herrmann 1, E Hoch 1, W Schröder 1, G Reymann 1, C Veltrup 1, B Wessel 1, A Wieczorek 1, N Wodarz 1
  • 1Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Suchtmedizin, Kliniken-Essen-Mitte, Essen

Die Alkoholabhängigkeit ist u.a. charakterisiert durch die Entwicklung eines körperlichen Entzugssyndroms bei Abbruch des Konsums. Aufgrund möglicher gefährlicher Komplikationen stellt die akute medikamentös gestützte Entgiftung einen essentiellen Behandlungsbaustein dar. Die körperliche Entgiftung fokussiert allerdings in der Regel auf die Behandlung und Verhinderung von Komplikationen im Rahmen des Entzugssyndroms bei bestehender Abhängigkeitserkrankung. Interventionen zur Förderung und Erhaltung der Abstinenz können in dieser kurzen Intervention, die häufig auch außerhalb suchtmedizinischer oder psychiatrischer Einrichtungen durchgeführt wird, nicht enthalten sein. Beim qualifizierten Entzug werden dagegen wichtige weitere Behandlungsbausteine zur Behandlung der eigentlich bestehenden Grunderkrankung, nämlich der „Abhängigkeit“ angeboten. In beiden Settings ist jedoch eine evidenzbasierte Pharmakotherapie ein grundlegender Behandlungsbaustein.

Aktuelle Strategien zur Pharmakotherapie enthalten die bekannten Benzodiazepine und Clomethiazol, sowie Antiepileptika bis hin zu exprimentelleren Ansätzen mit Baclofen oder Gamma-hydroxybutyrat (GHB). Dabei gibt es allerdings nicht für alle im klinischen Alltag verwendeten Behandlungsoptionen eine klare Datenlage. Für die Wirksamkeit von Benzodiazepinen im akuten Alkoholentzug sowie Clomethiazol finden sich in internationalen Leitlinien und aktuellen systematischen Reviews und Metaanalysen eine gute Evidenz. Schwieriger ist dann schon die Beurteilung der Wirksamkeit von Antiepileptika oder anderen im Entzug eingesetzten Substanzen. Für den Nutzen in der klinischen Praxis könnte für viele Substanzen allerdings ein differenzierter Einsatz für bestimmte Zielsymptome oder mögliche Komplikationen sowie in unterschiedlichen Settings (ambulant, teilstationär oder stationär) eine erhebliche Rolle spielen.

Derzeit werden S3-Leitlinien zur Behandlung der Alkoholerkrankung entwickelt (1). In diesem Rahmen hat sich eine Arbeitsgruppe („Entgiftung, qualifizierte Entzugsbehandlung und Pharmakotherapie“) konstituiert, die nach den Maßgaben der aufwendigen AWMF-Methodik für S3-Leitlinien, Quellleitlinien sowie Metaanalysen und systematische Reviewarbeiten sichtet sowie bei Bedarf ergänzende Recherchen durchführt. Ziel der Arbeitsgruppe ist die umfassende Bewertung der Wirksamkeit einer Alkoholentzugsbehandlung und differenzierter Aspekte der Pharmakotherapie. Evidenzen und Empfehlungsgerade aus Literatur und internationalen Leitlinien werden aktuell erarbeitet. Auf den Nutzen für die klinische Praxis soll geachtet werden. Eine Fertigstellung der Leitlinien ist für 2013 geplant.

Literatur:

1. Hoch et al.: S3-Leitlinien für substanzbezogene Störungen. Sucht 2012; 58: 97–107