Suchttherapie 2012; 13 - A1
DOI: 10.1055/s-0032-1330970

Kindeswohlgefährdung? Alltag in einer Fachambulanz

HG Hoffmann 1, J Rademann 1
  • 1Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachambulanz Kiel

Im Teil I werden kurz die Entstehungsgeschichte und das Angebot der Fachambulanz Kiel dargestellt. Im Weiteren werden die besonderen Chancen der langjährigen Behandlung für ein nachhaltiges Vertrauensverhältnis zu den substituierten Müttern und Vätern aufgezeigt. Dazu gehören auch Gespräche über die Alltagsbewältigung der Eltern, über ihre Sorgen und Ängste. So können sich Hinweise über problematische Entwicklungen ergeben, und gemeinsam mit der PSB nach Möglichkeiten der Unterstützung für Eltern und Kinder gesucht werden.

Aus dieser Perspektive erscheint eine Beendigung der Behandlung, z.B. bei fortgesetztem Beikonsum, oder eine generelle zeitliche Begrenzung, wie es z.T. von Politikern gefordert wird, fatal. Der damit einhergehende Verlust der Beziehung und des regelmäßigen Austausches hätte aus Sicht der Fachambulanz Kiel vor allem für die Kinder unabsehbare Folgen. Es werden Begründungen dafür geliefert, wie dies zu einer erhöhten Kindeswohlgefährdung führen würde.

Anschließend wird aufgezeigt, dass aufgrund der Erfahrungen der Fachambulanz Kiel eine nur durch die Ämter genehmigte Take-home-Regelung zu einer deutlich erhöhten Stress- und finanziellen Belastung der Familien führen würde, wobei eine solche Regelung nicht einmal durch die Richtlinien und die BtmVV gedeckt wäre. Falls noch Zeit bleibt, soll das Fallbeispiel einer Familie die komplexe Problematik veranschaulichen.

In Teil II stellt sich die Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien in und um Kiel vor. HiKiDra (Hilfen für Kinder Drogenabhängiger) stellt die Kinder in den Mittelpunkt der Arbeit, weil sie zu diversen Risikogruppen zählen, unter schwierigen psychosozialen Bedingungen aufwachsen, kaum auffallen und keine adäquate Hilfe erhalten.

Das Durchbrechen des intergenerativen Suchtkreislaufes ist das Ziel der Beratungsstelle.

Dabei spielt die Anbindung an die Fachambulanz Kiel eine gewichtige Rolle, weil die Familien generell nicht den Weg in Hilfesysteme finden, aber einen enormen und sehr differenzierten Bedarf haben.

Erfahrungen im Zusammenhang von suchtbelasteten Familien und beteiligten Institutionen, wie z.B. substituierenden Ärzten, Schulen und Jugendämtern zeigen deutlich, in welchem Spannungsfeld sich die Eltern und Kinder bewegen. Die eklatanten Folgen von unvernetzten Hilfen und verzögerter Unterstützung seitens öffentlicher Jugend- und Eingliederungshilfe, Sucht- und Sozialberatung sowie medizinischer Betreuung sind für die Kinder und Jugendlichen gefährdende Entwicklungsverzögerungen. Aus ihnen entstehen sozio- emotionale Benachteiligungen, die sie zusätzlich, neben den erheblichen Risikofaktoren, zu bewältigen haben, um nicht die nächste Generation darzustellen, die von öffentlichen Transferleistungen abhängig ist und kein selbst bestimmtes Leben führen kann.

HiKiDra kann einerseits von bedarfsgerechten Kooperationen in Kiel berichten andererseits auf Struktur- und Prozessverbesserungen innerhalb des Hilfesystems hinweisen.

Erfreulich ist die Tatsache, dass es landesweit intensive Bemühungen gibt, säulenübergreifende Unterstützungsangebote einzurichten, die aber zwingend in Regelangebote überführt werden sollten.