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DOI: 10.1055/s-0032-1324376
Gesprächsstoff
Subject Editor:
Publication History
Publication Date:
26 July 2012 (online)
Wissensaustausch in Winterthur – „Wir brauchen gut ausgebildete Professionals“
„Gesundheit als Wirtschaftsbranche läuft bestens. Doch die, die am Patienten arbeiten, sind zu schlecht bezahlt. Das kann nicht sein“, meinte Prof. Peter C. Meyer bei der Eröffnung des „Swiss Congress for Health Professions“, der vom 31. Mai bis 1. Juni 2012 in Winterthur stattfand. Mit dieser Aussage hatte der Direktor des Department Gesundheit der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) wohl die meisten der 300 Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Ernährungsberater, Hebammen und Pflegenden auf seiner Seite. Sie kamen nach Winterthur, um sich mit den Kollegen interdisziplinär auszutauschen. Seit in der Schweiz die fünf Berufe akademisch ausgebildet werden, veranstaltet die Fachkonferenz Gesundheit der Rektorenkonferenz der Fachhochschulen der Schweiz alle zwei Jahre diese Tagung, um den Wandel der Gesundheitsberufe zu begleiten und die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu leben und voranzutreiben. Denn Kooperationen sind notwendig, damit die Patientenversorgung der Zukunft funktionieren wird und finanzierbar bleibt.
Rund 70 Prozent der Gesundheitskosten in Europa und den USA fließen in die Versorgung von chronisch Kranken und multimorbiden Patienten, berichtet Dr. Catherine Gasser, Leiterin der Abteilung Gesundheitsberufe im Bundesamt für Gesundheit (BAG). Das Schweizer Gesundheitssystem und die Ausbildung der „Health Professionals“ muss sich ändern. Beide sind zu sehr auf das stationäre Setting und die Akutversorgung ausgerichtet. Das gilt auch für Deutschland, wie Prof. Adelheid Kuhlmey, Medizinsoziologin von der Charite Berlin, klarstellt: Beide Länder brauchen nicht mehr von der alten Versorgung, sondern neue Ansätze. „Um traditionelle Bilder zu überwinden, braucht es Zeit, Strukturveränderungen und eine professionelle Ausbildung“, weiß Adelheid Kuhlmey. In der Schweiz hat das BAG den rechtlichen Rahmen dafür geschaffen. „Doch das alleine reicht nicht, es muss auch gelebt werden“, appelliert Catherine Gasser an die Zuhörer. Es ist Aufgabe der Akteure im Gesundheitswesen, schnellere und wirksamere Angebote zu entwickeln als die bisherigen. Stichworte sind: Integrierte Versorgung, Vernetzung und Managed Care. Es braucht unterschiedliche Versorgungsangebote, denn die Bedürfnisse der Patienten unterscheiden sich, den Patienten gibt es nicht. Für all das ist qualifiziertes Fachpersonal nötig und dass alle Beteiligten ein gemeinsames Gesundheitsziel denken und leben. „Bleiben Sie dabei, autonom zu handeln und sich professionell zu behaupten. Treten Sie ein in die Diskussion und verdeutlichen Sie Ihre Kompetenzen“, fordert Catherine Gasser die Zuhörer auf.
Die Schweizer Physiotherapeuten sehen wie die deutschen im Direktzugang zur Physiotherapie eine Möglichkeit, die Patienten schneller und besser zu versorgen. Er war in einer der vielen Parallel-Sessions Thema. Eine Befragung der ZHAW ergab: 86 Prozent der Schweizer Physiotherapeuten befürworten die Einführung des Direktzugangs, 84 Prozent trauen sich diesen auch zu. 60 Prozent der Befragten sehen zusätzliche Qualifikationen beispielsweise in den Bereichen Krankheitslehre und Diagnosestellung als notwendig an. Die ZHAW untersuchte zudem, ob die Schweizer Physiotherapeuten beim Erstkontakt die richtige Diagnose stellen und das richtige Vorgehen wählen. Ergebnis: Wenngleich die Diagnose nicht immer korrekt war, handelten doch die meisten der Befragten richtig.
Bei der Diskussion machten sich auch aber Ängste breit: Will die Bevölkerung den Direktzugang wirklich? Wer sich an die Worte von Catherine Gasser erinnert, „es gibt nicht den Patienten“, weiß: Nicht jeder Patient nutzt ihn, aber einige ganz sicher.
Elke Oldenburg