Hintergrund: Aus den Kooperations- und Koordinationsproblemen, die Folge unterschiedlicher Zuständigkeiten im System der medizinischen Rehabilitation sind, ergeben sich für alle Beteiligten an der Rehabilitationskette (Kostenträger, Rehabilitationskliniker/n, ambulante Versorgung/er und Rehabilitanden) Nachteile (Deck et al., 2009 Grundke et al., 2011). Im Projekt sollten die Barrieren für bedarfsgerechten Zugang, Kooperation und Kommunikation identifiziert sowie mögliche Lösungen zur Verbesserung der Zusammenarbeit, Gewährleistung effektiver Kooperation und Koordinationsstrukturen und die Möglichkeit ihrer Implementation in die Praxis diskutiert werden.
Methodik: In 10 leitfadengestützten, nach Professionen getrennten Fokusgruppen wurden aktuelle Schnittstellenprobleme identifiziert indem die Transkripte inhaltsanalytisch ausgewertet wurden (Mayring, 2010). Für diese Probleme wurden anschließend in drei professionen-übergreifenden Fokusgruppen mögliche Lösungsansätze erörtert. Die identifizierten Probleme und Lösungsvorschläge wurden den Teilnehmern jeweils in Form eines Protokolls zur Kommentierung rückgemeldet. Die Gruppengespräche und die Rückmeldungen zu den Protokollen dienten der Vorbereitung einer Abschlusskonferenz mit ausgewählten Teilnehmern der vorherigen interdisziplinären Gruppen und Entscheidungsträgern der Kostenträger. Dort wurden die Praktikabilität der potentiellen Lösungsansätze der verschieden Gruppen diskutiert, Handlungsempfehlungen abgeleitet und erste Schritte für die Entwicklung und Umsetzung von Problemlösungen vereinbart.
Ergebnisse: Bei der Befragung der verschiedenen Gruppen wurden verschiedenste Schnittstellenprobleme aus Sicht aller Beteiligten identifiziert (Pohontsch & Deck, 2010 Pohontsch & Deck, 2011a). Die Ideen zur Überwindung von Schnittstellenproblemen zwischen niedergelassenen Ärzten und Kostenträgern umfassten verschiedene Strategien zur Weiterbildung niedergelassener Ärzte zum Themenkomplex Rehabilitation, z.B. durch Kurzvorträge in den Kreisstellenversammlungen die Verbesserung und Beschleunigung der Kommunikationsprozesse und der Nachvollziehbarkeit des Antragsprozesses (z.B. durch eine „Antragsnachverfolgungsnummer“). Die Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten und Reha-Klinikern könnte aus der Sicht der Beteiligten z.B. durch verbesserte (telefonische) Erreichbarkeit füreinander, Optimierung der Befundberichte und der verbindlichen Einführung von Kurz-Entlass-Briefen verbessert werden (Pohontsch, Deck, 2011a, Pohontsch & Deck, 2011b). Auch die Entwicklung einer klar strukturierten, leicht verständlichen Webseite zu allen rehabilitationsrelevanten Themen (Zielgruppen: niedergelassene Ärzte und Versicherte) wurde stark befürwortet. In der Abschlusskonferenz wurden folgende weiterführende Schritte vereinbart: Aufbau einer Webseite mit ausführlichen, leicht zugänglichen Informationen über Reha-Antragstellung und Antragsprozess sowie einem Kontaktformular Verbreitung bereits bestehender Reha-Bedarfs-Checklisten (z.B. in Mitteilungsblättern der Kassenärztlichen Vereinigungen), Prüfung der Möglichkeit eines Kurzbriefs für jeden Rehabilitanden und Entwicklung einer Checkliste von Maßnahmen, die einem Reha-Antrag vorausgehen sollten. Außerdem hat die Forschergruppe auf der Basis der Ergebnisse der Abschlusskonferenz weitere Empfehlungen (z.B. Überarbeitung der Antragsformulare) für die verschiedenen Kostenträger ausgearbeitet.
Diskussion/Ausblick: Die interdisziplinären Gruppen haben viele mögliche Lösungsansätze für die zurzeit bestehenden Kooperations- und Kommunikationsprobleme aufgezeigt. Auf der Abschlusskonferenz wurden erste Schritte in Richtung effektiverer Zusammenarbeit aller Beteiligten beschlossen. Die Umsetzung der Empfehlungen der Forschergruppe und die Implementation der auf der Abschlusskonferenz beschlossenen Strategien bleiben abzuwarten. Die Bereitschaft neue Wege zu beschreiten ist da. Die bestehenden Schnittstellenprobleme werden jedoch nicht von heute auf morgen gelöst werden können.
Literatur:
Deck, R, Glaser-Möller, N, Remé, T (Hrsg.) (2009): Brücken bauen. Schnittstellenprobleme der medizinischen Rehabilitation.
Lage: Hans Jacobs, Grundke S, Parthier K, Schubert M, Fiala K, Mau W, Klement A (2011). Probleme und Lösungsansätze für einen rechtzeitigen bedarfsgerechten Zugang zu medizinischer Rehabilitation aus der ambulanten ärztlichen Versorgung – Eine qualitative Studie. In: 45. Kongress für Allgemeinmedizin und Familienmedizin, Forum Medizin 21. Salzburg, 22.-24.09.2011 (S. 56–57).
Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House, Mayring, P. (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken.
Weinheim: Deutscher Studien Verlag, Pohontsch N, Deck R (2010). Überwindung von „Schnittstellenproblemen“ in der medizinischen Rehabilitation. Monitor Versorgungsforschung 6: 40–43, Pohontsch N, Deck R (2011a).
Schnittstellenprobleme und ihre Auswirkung auf die rehabilitative Versorgung. neuroreha 3: 114–119, Pohontsch N, Deck R (2011b).
Schnittstellen-Probleme in der medizinischen Rehabilitation – Lösungsvorschläge aus interdisziplinären Gruppengesprächen. Das Gesundheitswesen 73: A130