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DOI: 10.1055/s-0032-1322074
Die Bedeutung der ICF für die Rehabilitations- und Bewegungswissenschaften (Kooperation eVAA e.V. + DVGS e.V.)
Einleitung/Hintergrund: Bewegungstherapeutische Interventionen machen für die heute in der Rehabilitation vorherrschenden Gesundheitsstörungen wie muskuloskeletale Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, onkologische Erkrankungen und psychische Erkrankungen über 60% der erbrachten therapeutischen Leistungen aus (Brüggemann & Sewöster 2010). Unter Bewegungstherapie wird dabei die ärztlich indizierte und verordnete Bewegung verstanden, die vom Fachtherapeuten bzw. der Fachtherapeutin geplant und dosiert, gemeinsam mit dem/der Arzt/Ärztin kontrolliert und mit dem/der Patienten/in alleine oder in der Gruppe durchgeführt wird (Arbeitsgruppe Bewegungstherapie 2009). Mit Bezug zur KTL (Deutsche Rentenversicherung Bund 2007) zählen dazu insbesondere die Sport- und Bewegungstherapie und die Physiotherapie. Mit Blick auf die Kategorien der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF DIMDI 2005) liegen in der Versorgungspraxis bisher allerdings kaum evidenzgesicherte Interventionskonzepte vor. Dies gilt im Sinne der formativen Evaluation (Zielsetzungen, Inhalte, Methoden) als auch in Bezug auf die Evaluation der Wirkungen der Bewegungstherapie.
Methodik: In Anlehnung an das Theoriemodell der Rehabilitation von Gerdes und Weis (2000) und unter Berücksichtigung der ICF wurde eine Zielheuristik der Bewegungstherapie entwickelt (Pfeifer et al. 2010), um hinsichtlich der notwendigen Evidenzbasierung und einem wissensbasierten Qualitätsmanagement für bewegungsbezogene Versorgungsleistungen ein einheitliches Zielverständnis zu ermöglichen. Darauf aufbauend wurde eine ICF-basierte Zielsetzungstaxonomie erarbeitet, die als Grundlage für die Konzeptualisierung, Realisation und Evaluation der Bewegungstherapie dienen kann.
Ergebnisse: Für die Bewegungstherapie in der Rehabilitation lassen sich drei Zielbereiche formulieren: proximal/interventionsnah, 1. Wiederherstellung, Erhalt und Stärkung von Körperfunktionen einschließlich Ressourcen (=personale Kontextfaktoren im Sinne der ICF) 2. Hinführung zu und Bindung an regelmäßige körperlich-sportliche Aktivität, distal bzw. durch die Erreichung der proximalen Ziele vermittelt, 3. Minderung von Beeinträchtigungen sowie Erhalt und Ausbau von Möglichkeiten im Bereich von Aktivitäten und Partizipation. Die entwickelte Zieltaxonomie ermöglicht eine theoriefundierte und ICF-orientierte Auswahl, Ansteuerung und Evaluation bewegungstherapeutischer Maßnahmen. Sie ermöglicht eine professionsübergreifende Qualitätssicherung der bewegungstherapeutischen Versorgung.
Diskussion/Schlussfolgerung: Aus rehabilitationswissenschaftlicher sowie aus bewegungswissenschaftlicher Sicht ergibt sich die Aufgabe, entsprechende zielbezogene bewegungstherapeutische Konzepte in der Versorgungspraxis zu identifizieren bzw. zu implementieren und einer formativen und summativen Evaluation zu unterziehen. Darüber hinaus besteht für eine adäquate Zuweisung und Steuerung der Bewegungstherapie die Notwendigkeit zur Entwicklung bzw. Identifikation ICF-basierter Test- bzw. Assessmentverfahren. Vielfältige rehabilitationswissenschaftliche Fragestellungen lassen sich in diesem Kontext adressieren (Arbeitsgruppe Bewegungstherapie 2009).
Literatur:
Arbeitsgruppe Bewegungstherapie (2009). Ziele und Aufgaben der Arbeitsgruppe „Bewegungstherapie“ in der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaften (DGRW). Rehabilitation, 48, 252–255.
Brüggemann, S, Sewöster, D. (2010) Bewegungstherapeutische Versorgung in der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung. Bewegungstherapie & Gesundheitssport. 26(6): 266–9
Deutsche Rentenversicherung Bund (2007). KTL. Klassifikation therapeutischer Leistungen in der medizinischen Rehabilitation. Berlin: Deutsche Rentenversicherung Bund.
Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) (2005). ICF. Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (Stand Oktober 2005). Köln: DIMDI.
Gerdes, N. & Weis, J. (2000). Zur Theorie der Rehabilitation. In J. Bengel & U. Koch (Hrsg.), Grundlagen der Rehabilitationswissenschaften (S. 41–68). Berlin: Springer.
Pfeifer, K., Sudeck, G., Brüggemann, S., Huber, G. (2010). DGRW-Update: Bewegungstherapie in der medizinischen Rehabilitation – Wirkungen, Qualität, Perspektiven. Rehabilitation, 49, 224–236